- Kultur
- »Hamlet« am Deutschen Theater Berlin - CONTRA?
Ein Zirkus
Wer seinen »Hamlet« gut kennt, der mag für eine Weile ein gewisses harmloses Vergnügen an dieser, wie Regisseur Kriegenburg erklärt, »von der Existenzlast und der Rezeptionsgeschichte befreiten« Clownerie finden. Neben mir saßen zwei junge Frauen, die die meiste Zeit quietschten vor Vergnügen und auch sonst gab es viele Lacher im Publikum der Kammerspiele des Deutschen Theaters, einmal sogar Szenenapplaus für die Solonummer der beiden Totengräber, die aber nicht enden wollte, trotz eines genervten Zwischenrufes »Es reicht«. Fast alle Schauspieler sind auf Clown geschminkt und balancieren zwischen und über ein Feld von Holzkisten, spielen aber nun nicht – oder nur teilweise – den von Reinhard Palm neu übersetzten Shakespeare-Text, sondern vielmehr dessen komische Persiflage.
Man kann dem einen gewissen Reiz abgewinnen, wenn man sich auf die Erkenntnis einlässt, dass diesem rätselhaftesten und ausdeutungsfähigsten Stück der Weltliteratur eine nicht nur punktuelle, sondern sogar durchgängige Komik eingeschrieben ist, die jede Szene, jede Episode, aber auch jede Figur in diesem verfremdeten Licht einmal ganz anders erscheinen lässt: Man erkennt sie wieder und ist milde amüsiert. Für eine Weile. Als Spiel-Übung kann das sinnvoll sein. Peter Zadek hat seine Schauspieler bisweilen solche Verfremdungen während der Probenarbeiten spielen lassen. Aber nicht als fertiges Produkt.
Hier bleibt es dabei – nicht, weil dieser »Hamlet« mit noch jungen Studierenden der Ernst-Busch-Hochschule (ergänzt durch drei »gestandene« Schauspieler) besetzt ist, sondern weil da angeblich eine neue Lesart vorgeführt werden soll: »Hamlet« als Zirkus. Nach spätestens einer halben Stunde hat man das kapieren können, es wird aber auf drei Stunden mit zunehmender Disziplinlosigkeit und selbstverliebten Gags ausgedehnt und geht dann auf die Nerven. Das Ganze endet als Groteske.
Shakespeares dringende Bitte an die Schauspieler, »nicht mehr zu sagen, als für sie im Text steht, denn es gibt unter ihnen solche, die selber oft lachen, um eine Anzahl von öden Zuschauern gleichfalls zum Lachen zu reizen«, war nicht nur ignoriert, sondern umgekehrt geradezu vorgeführt worden – mit dem Ergebnis eines ärgerlichen Theaterabends, der nicht zulasten der Busch-Studierenden, sondern eines missratenen, originalitätssüchtigen Regiekonzepts geht.
Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Dank der Unterstützung unserer Community können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen
Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.