Unverzeihlich

  • Jürgen Reents
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Partei- und Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Oskar Lafontaine, hat gestern über seinen Pressesprecher mitteilen lassen, dass er sich wegen einer Krebserkrankung morgen zu einem seit längerem geplanten chirurgischen Eingriff in eine Klinik begeben werde. Dass Politiker anders als Privatpersonen sich quasi genötigt sehen, der Öffentlichkeit ihre Krankenakte aufzublättern, ist makaber genug. Es wirft ein grelles Licht auf die Macht, die eine sich auf alles und jeden fokussierende Medienwelt längst ausübt. Doch hier kommt etwas hinzu: Die Mitteilung über Lafontaines Erkrankung beginnt mit den Worten »Um weiteren Spekulationen vorzubeugen...«. Sie ist damit zugleich ein beklemmender Abwehrversuch der perfiden boulevardesken Ausbeutung von Privatleben, die der »Spiegel« sich zu Wochenanfang erlaubte, und in die einige andere (doch um gerecht zu sein: wenige) Blätter wie die »taz« und die »Mitteldeutsche Zeitung« mit eigenen Klatschköchen nachstießen. Es geht dabei um ein Gerücht über eine »Liebesaffäre« Oskar Lafontaines mit einer Parteigenossin. Von dem Wahrheitsgehalt völlig abgesehen: Sollte ein »Spiegel«-Redakteur auf seinen Dienstreisen die Nächte nicht allein in einem Hotelbett verbringen, würde er dies natürlich und zu Recht als etwas betrachten, was öffentlich niemanden zu interessieren hat. Im Falle eines Politikers, noch dazu eines solchen, den der »Spiegel« allzu gerne erledigt, zumindest von der bundespolitischen Bühne vertrieben sähe, verliert das Sturmgeschütz der Demagogie dagegen jeglichen moralischen Halt. Man kann nur hoffen, dass seine Leserschaft ihm das nicht verzeihen wird – und Oskar Lafontaine gute Besserung wünschen.

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