Von Verfolgung und Widerstand
Ausstellung »Jüdisches Leben in Pankow« verstehen Antifaschisten als politische Aktion
Die Zahlen sind erschreckend deutlich: 1933 lebten 2079 jüdische Gemeindemitglieder in Pankow, 18 Jahre später waren es nur noch 231. Die überarbeitete Wanderausstellung »Jüdisches Leben in Pankow – vom Anbeginn zum Neubeginn« zur Erinnerung an den antijüdischen Pogrom 1938 ist im Rathaus Pankow noch bis Freitagabend zu sehen.
24 Stelltafeln spannen einen weiten zeitlichen Bogen: Erst 1812 wurde es jüdischen Bürgern durch das Preußische Emanzipationsedikt möglich, sich im damaligen Dorf Pankow niederzulassen. Am Beispiel von fünf jüdische Familien wird dokumentiert, wie sie sich ansiedeln und in Pankow sesshaft werden.
Fotos, Dokumente und erklärende Texte verdeutlichen, wie jüdische Geschäftsleute, Handwerker, Ärzte, Lehrer und Künstler in den Pankower Alltag integriert waren und Vertrauen und Ansehen in der Bevölkerung genossen. Bis 1933 wurden ihre Fähigkeiten und die Qualität ihrer Leistungen nicht in Frage gestellt. »Die Juden haben eingebettet in die Bevölkerung gelebt, die jüdische Geschichte besteht nicht nur aus Verfolgung«, betont die Ausstellungsmacherin Inge Lammel.
Eine Liste der chronologischen Ereignisse zeigt, wie sich die Lage der Juden zuspitzt. Nach der Machtübernahme Hitlers beginnt die Entrechtung der jüdischen Bürger. Und die Pogromnacht am 9. November 1938 leitete ihre Verfolgung, Deportation und Vernichtung ein.
»Diese Ausstellung ist für uns keine museale Angelegenheit, sondern eine politische Aktion. Wir müssen die Gegenwart betrachten und in die Zukunft blicken. Auf vielen Schulhöfen wird das Wort Jude heute als Schimpfwort verwendet«, kommentiert Mathias Wörsching, Vorsitzender der VVN-BdA Pankow. Gerade die Jugend müsse erreicht werden. Deswegen geht die Ausstellung im Frühjahr an das Max-Delbrück-Gymnasium und vorher in den Jugendclub M24.
Schließlich widmen sich die übersichtlichen Tafeln den Pankower Juden im Widerstand und der Unterstützung, die ihnen seitens der Pankower gegeben wurde. Die Rückkehr aus den Lagern und die Neuansiedlung der Emigranten runden die Ausstellung ab.
Auch Inge Lammel war 1939 als 15-Jährige gezwungen, nach England zu emigrieren. Nach achtjährigem Exil kehrte sie nach Pankow zurück: »Wir wollten zurück und an einem demokratischen Neuaufbau teilnehmen. Ich habe es nicht bereut.« Leise fügt sie hinzu, dass sie natürlich auch nach ihren Eltern forschen wollte und erfahren musste, dass sie in Ausschwitz gestorben seien.
Die kleine imponierende Frau hat 1989 begonnen, Informationen zu sammeln und Gespräche zu führen: »Es gab nicht mehr viele jüdische Familien, deswegen habe ich die Pankower Bürger nach ihren Erinnerungen gefragt.« Inzwischen hat sie auch ihr drittes Buch zum Thema herausgebracht: »Jüdische Lebenswege. Ein kulturhistorischer Streifzug durch Pankow und Niederschönhausen.«
Rathaus Pankow, Breite Str. 24A, 1. Etage, geöffnet 6 bis 20 Uhr. Im Internet: www.de.juedisches-leben.org
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