Jerusalem-Amnesie

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Bestürzung über die israelischen Landnahmebeschlüsse im arabischen Teil Jerusalems, die das Weiße Haus gestern den Medien mitteilen ließ, klingt reichlich bemüht. Es mag wohl sein, dass Obama alles andere als glücklich darüber ist, von seinem Nahostpartner Israel zum wiederholten Male am Nasenring durch die Nahostarena geführt zu werden. Doch hat Netanjahu jetzt lediglich ausgesprochen, was er seit Wochen ankündigt, was die US-Außenministerin kürzlich in Jerusalem offiziell erfuhr und dennoch nicht verurteilungswürdig empfand und was Obama bei Netanjahus Washington-Besuch letzte Woche mit dem Nichtstattfinden einer Pressekonferenz offenbar ausreichend bestraft sah.

Das US-State-Department wartet also in Sachen Jerusalem mit einer Amnesie auf, die man ihm schwerlich abnehmen kann. Bereits als Israel 1980 den 1967 eroberten Ostteil annektierte und die Stadt zu »Israels ungeteilter Hauptstadt« erklärte, trugen die USA die Verurteilung dessen durch den UNO-Sicherheitsrat nicht mit. Auch als Israel mehrfach seine »Hauptstadt« vergrößerte, indem es ihr willkürlich Gebiete der besetzten Westbank angliederte, wurde eine Verurteilung dessen im Rat jeweils durch US-Veto verhindert.

Dies alles ist Obama nicht anzulasten; auch nicht, dass der US-Kongress 1995 als einziges Parlament – gemünzt auf Israel und Jerusalem – die eigentümliche Erklärung abgab, jeder Staat habe das Recht, seine Hauptstadt selbst zu bestimmen. Ein stärkeres Zeichen aber als die nunmehrige Geste der Hilflosigkeit könnte er dennoch setzen. Die Palästinenser könnten es gebrauchen. Gerade jetzt.

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