Geschäfte oder Sicherheit?

  • Michael Cramer
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor ist Europaabgeordneter der Grünen und Mitglied im Verkehrsausschuss.
Der Autor ist Europaabgeordneter der Grünen und Mitglied im Verkehrsausschuss.

Im Sommer 2006 wurde in London eine Terrorgruppe enttarnt, die – dem britischen Geheimdienst zufolge – mit explosiven Flüssigkeiten ein Flugzeugattentat geplant hatte. Unter Zeitdruck hatte der Verkehrsministerrat in Zusammenarbeit mit der Kommission eine Verordnung beschlossen, um solche Attentate in Zukunft zu verhindern. Dabei wurde, entgegen der üblichen Praxis, das Europäische Parlament (EP) nicht einbezogen. Die von Rat und Kommission beschlossene Verordnung führte neue Kontrollen an Flughäfen speziell für Flüssigkeiten ein und verbietet deren Mitnahme mit einem Volumen von mehr als 100 Millilitern, wenn sie vor der Gepäckkontrolle erworben wurden. Flüssigkeiten, die in den Duty-Free-Shops vor dem Einstieg ins Flugzeug gekauft werden, sind nicht betroffen.

Der Verkehrsausschuss des EP hat sich in mehreren öffentlichen und nicht öffentlichen Sitzungen mit dem Problem befasst. Fest steht: Bis heute kann kein herkömmlicher Scanner die Art der Flüssigkeit in einem Behälter feststellen. Denn wenn für einen Bomben-Mix 300 Milliliter Flüssigkeit gebraucht werden, dann werden eben drei Terroristen für ein solches Attentat gebraucht. Benötigt man zum mitgebrachten Pulver, das ja nicht kontrolliert wird, mehrere Liter Flüssigkeit, um diesen Bomben-Mix herzustellen, so kann man sich im Duty-Free-Shop bedienen. All diese Fragen konnten die Vertreter der Kommission bis heute nicht beantworten. Deshalb hielt der Ausschuss das Flüssigkeitsverbot für reinen Aktionismus ohne Effizienz und sprach sich wiederholt dagegen aus. Daraufhin hatte die Kommission dem EP zugesagt, die Verordnung 2010 auslaufen zu lassen.

Nunmehr will die Kommission die Verordnung zwar ändern, gleichzeitig aber die Kontrollen fortführen. Die konventionellen Kontrollen sollen durch spezielle Maschinen ersetzt werden und in drei Schritten auslaufen: Ab 2010 gelten die Kontrollen für Flüssigkeiten, die in Flughäfen von Nicht-EU-Staaten gekauft werden, ab 2012 für alle Flüssigkeiten in großen Flughäfen und ab 2014 für alle Flüssigkeiten in allen Flughäfen.

In der Diskussion im Verkehrsausschuss hat sich nun eine Mehrheit darauf geeinigt, Folgendes von der Kommission zu fordern: ab 2010 sollen Flüssigkeiten, die an Flughäfen in Drittstaaten gekauft wurden, unter gewissen Bedingungen zugelassen werden. Ab 2012 sollen Kontrollmaschinen eingesetzt und erprobt werden, die gefährliche Flüssigkeiten erkennen können. Bei positivem Verlauf sollen sie ab 2013 auf allen Flughäfen eingesetzt werden. Die Grünen im EP sind skeptisch über diesen Vorschlag, weil zunächst ein immenser Kontrollaufwand nötig ist, ohne dass frühere Bedenken ausgeräumt werden können. Zudem ist fraglich, ob die von der Kommission angekündigten Maschinen 2012 überhaupt schon einsatzbereit sind.

Parallel dazu entwickeln die Hersteller solcher Kontrollmaschinen sehr aggressive Lobby-Initiativen, weshalb der Verdacht naheliegt, dass – nach dem Verbot der Body-Scanner – es weniger um die Sicherheit der Fluggäste als um die Sicherheit dieser Geschäfte geht, für die die Produzenten eine Verkaufsgarantie benötigen. Aus all diesen Gründen haben die Grünen den Vorschlag im Ausschuss abgelehnt und halten daran fest, dass die Flüssigkeitsverbote ab 2010 aufgehoben werden sollen, wenn die Kommission nicht endlich eine nachvollziehbare Begründung für ihren Vorstoß vorlegt.

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