Mainzer Marstraining

Uni-Experten erarbeiten Notfallkonzept für das Überleben in Extremlagen

  • Jasper Rothfels, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.
Im Simulationszentrum der Uni Mainz werden Nicht-Mediziner für Notfälle ausgebildet. Das Konzept ist Teil eines ESA-Programms.

Mainz. Oliver hat ein echtes Problem. Der 42-Jährige ist in der Antarktis-Forschungsstation Concordia umgekippt und hat keinen Puls mehr. Ursache: lebensgefährliches Kammerflimmern, und das an einem der isoliertesten Orte der Erde. Glücklicherweise helfen Kollegen: Sie sind zwar medizinische Laien, verabreichen aber Herzmassage, Spritze und Elektroschocks – bis Oliver wieder von alleine atmet. »Der Patient hat überlebt«, kann Kollege Julian Graf kurz darauf berichten.

In Wirklichkeit ist Oliver kein Mensch, sondern eine lebensgroße Hightech-Puppe, und seine Kollegen sind keine medizinischen Laien, sondern Ärzte und Studenten der Universität Mainz. Was sie mit Oliver im Simulationszentrum der Hochschule vorführen, gehört zu einem in Mainz entwickelten Trainingskonzept, mit dem Nicht-Mediziner für Notfälle ausgebildet werden sollen. Mit dem Konzept nehmen die Mainzer an einem Forschungsprogramm der Europäischen Weltraumorganisation ESA für die reale Concordia-Station teil. Deren Crew sei vielen Extrem-Faktoren ausgesetzt, die denen einer Langzeitmission im All ähnelten, erklärt der Direktor der HNO-Klinik, Wolf Mann. Langfris-tig sollen die in Concordia gewonnenen Erkenntnisse deshalb auch für die Raumfahrt genutzt werden, etwa für eine Marsmission.

»Insgesamt soll die Besatzung nach diesem Ausbildungswochenende in der Lage sein, bestimmte trainierte medizinische Notfälle autonom zu behandeln«, erklärt Graf. Dafür lernen sie im Simulationszentrum an einer Puppe lebensrettende Maßnahmen und den Umgang mit bestimmten Checklisten, etwa für das Vorgehen bei einem Herzstillstand. Die Mainzer haben außerdem Instrumente zusammengestellt, die für Laien leichter zu handhaben sind. So wird zur Sicherung der Atemwege und zur künstlichen Beatmung ein Tubus verwendet, bei dem man nichts falsch machen kann: Er bringt sich nach dem Einführen in den Schlund selbst in die richtige Position. Auch das Spritzen von Medikamenten wird vereinfacht.

Seitens der ESA sei man daran interessiert zu wissen, was sie bei einem bemannten Flug investieren müsse, damit die Mission in Notfällen sicher ablaufe, erklärt der Mainzer Mediziner Matthias Schäfer. Nach seinen Angaben gab es seit dem Start der bemannten US-Raumfahrt im All 365 US-Notfälle – »wobei die Spannbreite von harmlosen Infektionen bis hin zu Todesfällen, die ja bekannt sind, reicht«. Bislang gebe es für die versorgende Medizin in den Raumfahrtorganisationen aber »relativ wenig praktische Erfahrung«.

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