Angriff mit Schneekanonen

Der Westharz will mehr Touristen anlocken – mit Großprojekten, die der Natur schaden werden

  • Uwe Kraus, Wernigerode
  • Lesedauer: 3 Min.

Um die Tourismus-Region Harz für Investoren interessanter zu machen, will der Landkreis Goslar in vielen Bereichen den Landschaftsschutz lockern. Nachgedacht wird unter anderem über den Bau einer Sommerrodelbahn und eines Erlebnisparks auf dem Bocksberg bei Hahnenklee.

»Da werden Projekte wie Ferienparkgroßanlagen oder alpine Skiangebote aus der Mottenkiste gezaubert, die alle Anstrengungen gegen den Klimawandel konterkarieren«, entrüsten sich die Abgeordneten der LINKEN in den Kreistagen Harz und Goslar, André Lüderitz und Hans-Werner Kihm, unisono.

Der Kreistag im niedersächsischen Goslar hat beschlossen, den Landschaftsschutz an immerhin 16 Stellen in der Westharz-Region zu lockern. So sollen Investoren in den Harz gezogen werden, der gerade in seinen westlichen Teilen unter einem starken Rückgang der Besucherzahlen zu leiden hat. Die LINKEN, aber auch zahlreiche Umwelt- und Naturschützer bezeichnen diesen mit CDU- und SPD-Stimmen gefassten Beschluss als doppelt fatal. Nicht allein, dass massive Eingriffe in den Naturpark Harz nun möglich werden, und zwar bis an die Grenzen des Nationalparks heran. Auch die von den Bundesländern Niedersachsen und Sachsen-Anhalt beschworene gemeinsame Entwicklung der Tourismusregion Harz werde mit derartigen Goslarer Alleingängen ad absurdum geführt.

Löcher im Schutzgebiet

André Lüderitz, gleichzeitig umweltpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt, erinnert daran, dass er im Sommer gemeinsam mit der wirtschaftspolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Landtag von Niedersachsen, Ursula Weisser-Roelle, ein Entwicklungskonzept auf den Tisch gelegt habe. Ziel sei es, »den West- und Ostharz nicht gegeneinander aufzuwiegen, sondern als Ganzes in die Waagschale zu werfen«. So verwahren sich die beiden Politiker dagegen, dass die Region mit touristischen Leuchttürmen im Premiumsegment vermarktet werden soll.

Mit zum Teil längst verworfenen Rezepten und im Alleingang wird eine Tourismusoffensive im Harz nicht gelingen, meinen die Kritiker. Sie fürchten »große Löcher im Landschaftsschutzgebiet«.

Dass die Region nachhaltig und ökologisch verantwortbar belebt wird, das vermag Lüderitz in den Goslarer Plänen, mit denen Großinvestoren der rote Teppich ausgerollt wird, nicht zu erkennen. Der stellvertretende Fraktionschef der LINKEN im Harzer Kreistag, Eberhard Schröder, sieht eher einen zerlöcherten Flickenteppich als einen Naturpark als Zukunftsperspektive. »Tourismusentwicklung ja, aber gemeinsam und umweltverträglich«, sagt er.

Nach Angaben aus Goslar plant man die Erweiterung des Sportparks Bad Harzburg, einen Erlebnispark mit Sommerrodelbahn am Bocksberg sowie eine Sommerlanglaufloipe am Sonnenberg im Nationalpark Harz. Auch die Anlangen am Wurmberg zwischen Braunlage (Niedersachsen) und Schierke (Sachsen-Anhalt) sollen weiter ausgebaut werden. Das aber dürfe nur gemeinsam und ohne Schneekanonen geschehen, sagen André Lüderitz und Hans-Werner Kihm. Sie stellen fest, dass ein »Abzapfen oder Speichern von Wasser für die künstliche Beschneiung aus dem Naturschutzgebiet Harzer Bachtäler und dem Nationalpark überhaupt nicht zulässig ist«.

Kompetenzen überschritten

Zudem hat der Kreistag in Goslar nach Ansicht der Kritiker deutlich seine Kompetenz überschritten. Tatsächlich unterliegen Vorhaben im Nationalpark wie das Anlegen neuer Loipen für den Sommerlanglauf am Sonnenberg dem Staatsvertrag zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Die Fraktionen der LINKEN der Landkreise Harz und Goslar fordern denn auch, »den Harz mit seinen ökologischen, geologischen und kulturellen Potenzialen gemeinsam länderübergreifend für einen nachhaltigen Tourismus verantwortungsbewusst zu nutzen«.

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