Extrawürste für die Gäste

Veranstalter garnieren Pauschal-Normal immer stärker mit Sonderangeboten

  • Heidi Diehl und Michael Müller
  • Lesedauer: 7 Min.
Fast gebetsmühlenartig wiederholen alle großen Reiseveranstalter, dass sie sich trotz aller Verluste im Jahr 2009 nicht an ruinösen Preiskämpfen beteiligen werden. Es gehe nicht darum, kurzfristig Marktpositionen und Umsatz zu sichern, dafür aber langfristige Perspektiven sowie Profitabilität aufs Spiel zu setzen. Stattdessen beschwören alle die besseren Zeiten, die da hoffentlich bald kommen werden. Man setzt auf Stammkunden und hofft darauf, neue Kunden zu gewinnen. Die allerdings muss man – da der Kuchen ja bereits aufgeteilt ist – versuchen, anderen abzuluchsen. Da das kaum noch mit weiteren Rabatten möglich ist, lässt man sich jede Menge Extrawürste für die kommende Sommersaison einfallen. Den Kunden kann's nur Recht sein.

»Wenn sich die Wirtschaft wie erwartet erholt und sich zugleich der Arbeitsmarkt stabil entwickelt, werden wir unsere Wachstumsziele erreichen. Die Basis haben wir geschaffen«, gibt sich Dr. Volker Böttcher, Deutschlandchef des Marktführers TUI optimistisch. Und meint damit auch viele neue Angebote. Wie die »TUI Entdecker Touren«, die sich vor allem an diejenigen richten, die nur noch mit ganz Ausgefallenem zu locken sind. Sie führen allesamt in die Ferne zu mehr oder weniger exotischen Zielen und bieten auch einen Blick hinter die Kulissen der bunten Urlaubswelt. Wem's gefällt, kann in Sri Lanka Tee pflücken, auf Bali Reis ernten oder in Florida die Disneys Hollywood-Studios besichtigen.

Wenn es um die Nebenkosten geht, kommt vor allem für Eltern von kleineren Kindern am Urlaubsende oft das böse Erwachen. Das Eis nebenbei, Kekse oder Cola – da kommt was zusammen in zwei Wochen Urlaub. Der neue Service »All inclusive for Kids« soll dem Abhilfe schaffen und bedeutet: In mehr als 60 ausgewählten Hotels essen und trinken Kinder für ein Festgeld so viel und wann immer sie wollen, unabhängig davon, welche Verpflegungsleistung die Eltern gebucht haben. Dankbar werden auch all jene sein, die mit Baby reisen und den neuen Baby-Service in Anspruch nehmen, der in 15 TUI-Schöne-Ferien-Clubs angeboten wird. Windeln, Babynahrung und was sonst noch das Gepäck belastet, wird auf Vorbestellung ins Hotel geliefert.

www.tui-deutschland.de

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Für die REWE Pauschaltouristik, zu der ITS, Jahn Reisen und Tjaereborg gehören, sei 2009 ein »unvergleichbares Jahr« gewesen, sagte Geschäftsführer Ralph Schiller. Denn: Während die Branche im Schnitt über mindestens vier Prozent Umsatzrückgang klagt, jubelt das Kölner Unternehmen über ein Plus von sechs Prozent. »Eine Reise-Resterampe zu Ramschpreisen gab es bei uns nicht«, so Schiller. Ihre beste Nachricht für die Kunden: Die Preise werden im Sommer 2010 im Schnitt um sechs Prozent gesenkt, wer sich für Sri Lanka entscheidet, spart sogar 23 Prozent zum Vorjahr. Nicht weniger Qualität sei der Grund, sondern bessere Einkaufspolitik und gesunkene Kerosinpreise.

Höchste Qualität verspricht REWE als Markenzeichen, deshalb will man die drei eigenen Hotelmarken – lti hotels, Club Calimera und PrimaSol Hotels – jetzt auf den Prüfstand stellen. »Wer die hohen Kriterien nicht erfüllt, fliegt raus«, so das Unternehmen. Die Marke lti hotels bekommt außerdem noch ein Luxussegment, weil: »Der Bedarf ist vorhanden.« Dort soll sich der Gast wie ein König fühlen, auch dank eines persönlichen Concierges.

Für Fußballfans gibt es ein ganz besonderes Angebot: Parallel zur Fußball-WM lädt Jahn Reisen zum »Madeira Fußball Cup«, bei dem zehn Hobbymannschaften ein Kleinfeldturnier in dem Stadion austragen, wo Cristiano Ronaldo einst entdeckt wurde.

www.rewe-touristik.com

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Bei diesen Preisen muss man reisen, suggeriert der Slogan von 1-2-FLY, dem Günstiganbieter unterm TUI-Konzernschirm. Und die sollen jetzt im Schnitt noch sieben Prozent unter denen der abgelaufenen Saison liegen. »Aber wir wollen und können uns natürlich nicht nur allein über den Preis in unseren Marktsegmenten behaupten, sondern das geht nur über das entsprechende Preis-Leistungs-Verhältnis«, skizziert Oliver Müller-Dukat, der bei der TUI-Gruppe für die Marke verantwortlich zeichnet, die Strategie. Er sieht sich damit »für den kommenden Sommer noch attraktiver als bisher hervorragend positioniert«.

Wenn Müller-Dukat dieser Tage darauf verweist, so ist das nicht nur eine Prognose, denn 1-2-FLY hat mit dem Sommergeschäft bereits Ende September begonnen; mit zwei seiner acht Kataloge. »Besonders die Türkei, Kreta, Kos und Teneriffa bescherten uns bisher einen Top-Vorverkauf«, sagt er. Zugnummern bleiben natürlich, wie es sich für eine Preiswertmarke gehört, die Preise: Ab 240 Euro pro Person und Woche findet man unter den »Preisbrecher«-Angeboten, ab 325 Euro unter den »Sparwochen«. Neu sind ein extra Türkeikatalog, das Signet FLY4young (für junge Singles und Paare ohne Kind), Seniorenermäßigung in 90 Hotels.

www.1-2-Fly.com

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Nun schon seit 45 Jahren macht's Neckermann möglich. Diesen Ruf, so Beat Blaser, im Thomas-Cook-Konzern fürs Neckermann-Marketing zuständig, gilt es frisch zu halten. Die größte deutsche Reisemarke will das auch in der kommenden Sommersaison mit sage und schreibe 5300 Katalog- und Preisteilseiten schaffen. Unter rund 5000 Hotels und Urlaubsanlagen hat der Interessent die Qual der Wahl. Geneigt will man sich die Kunden machen oder halten zum einen mit den branchenüblichen Rabatten aller Art. Neckermann hat aber auch erstmals (und wohl bei Pauschalanbietern insgesamt bislang auch einmalig) den Sparflug im Angebot. Bei diesem wird der Vorzugspreis bei 100 000 (Billig-)Flugplätzen direkt an den Kunden weitergegeben. Da kann man sofort nachfragen und ihn bei 90 Nah- und Mittelstrecken haben, solange der Vorrat reicht.

Wie gewohnt stellt sich Neckermann auf die Belange von Otto Normalverbraucher ein. Dazu gehört heutzutage eine gewisse Sicherheit, wenn plötzlich die gebuchte Reise zum sozialen Problem wird. Bei Arbeitslosigkeit oder längerer Kurzarbeit kann man deshalb kostenlos umbuchen oder stornieren (bis sechs Wochen vor Reiseantritt), was auch für alle mitreisenden Familienmitglieder gilt. Und für langfristige Kundenbindung hat Neckermann noch dies parat: Wer bis Ende Januar eine Sommer-Flugpauschalreise bucht, bekommt einen 100-Euro-Gutschein für den Winterurlaub 2010/11.

www.neckermann-reisen.de

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Auch Spezialanbieter, wie der Studienreise-Veranstalter Studiosus, wollen mit neuen Angeboten verlorene Gäste zurückholen. Und zwar mit »Extratouren«. Was heißen soll, dass es zu vielen geführten Programmen Alternativen gibt. Wer nicht die zigste Kirche auch noch ansehen, statt dessen lieber eine individuelle Radtour machen will, kann das künftig problemlos und wird dann von der Gruppe irgendwo wieder eingesammelt. Man reagiere damit auf den Wunsch der Gäste nach mehr Freiräumen, so Pressesprecher Dr. Frano Ilic. Außerdem seien noch mehr Begegnungen mit Einheimischen in die Programme für bildungshungrige und kommunikationsfreudige Urlauber aufgenommen worden.

www.studiosus.com

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Gleich 116 neue Reisen hat sich der Studien- und Erlebnisreiseveranstalter Gebeco einfallen lassen. Unter der Marke »Gebeco Länder erleben« stehen vor allem aktive und kulinarische Offerten zur Auswahl. So kann man zum Beispiel in China lernen, wie man Nudeln herstellt oder sich in Italien in die Philosophie von Slow Food einführen lassen. Die Marke »Dr. Tigges« stellt die Klänge der Welt in den Fokus seines Themenjahres. Interessierte können auf weltweit 22 Touren Musikstilen und Musiktraditionen nachgehen und dabei Musiker, Orchester und Instrumentenbauer kennenlernen.

Junge Leute und Junggebliebene finden weltweit neue Freunde in multikulturellen Reisegruppen. 30 verschiedene Touren bietet der neue Ganzjahreskatalog »goXplore with Gebeco«.

www.gebeco.de

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Thomas Cook Reisen versteht sich als ein Premiumanbieter. Die Produkte sind also etwas teurer, aber – so man der jüngst vorgelegten Jahresbilanz folgt – fahren Veranstalter wie Kunden durchaus gut damit. Was in den 20 Sommerkatalogen an Komfortleistungen für Zielgebiete in 134 Ländern zusammengefasst ist, betrifft eigentlich gar nicht in erster Linie die höchste Sternezahl der Hotels oder die feinsten Strände. Dies ist ohnehin vorausgesetzt. »Unser Kerngeschäft ist zwar die Pauschaltouristik, aber der Gast, der bei uns pauschal bucht, möchte nicht zur Masse gehören«, erläutert Dr. Peter Fankhauser, der Vorstandschef der Thomas Cook AG. Und der Schlüssel, den man dem Gast dazu anbiete, sei eben das Komfort-sorglos-Paket, »dessen Leistungen nicht nur montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr, sondern eben rund um die Uhr angeboten werden«.

Fankhauser ist da schnell bei seinem Lieblingsthema: den reservierten Sonnenliegen. »Es ist doch peinlich und unangenehm, früh um sieben aufzustehen, nur um die Handtücher dort zu platzieren, wo man den Strandtag verbringen möchte«, sagt er. Dies wie so vieles andere – von kostenloser Tischreservierung über Babybetreuung bis zu Check-in wie Check-out zur gewünschten Tageszeit« übernimmt deshalb der Veranstalter. »So schaffen wir beim Gast das Gefühl des Umsorgtseins, eben gefühlte Individualität«, ist er sich sicher. Und alles in der kommenden Saison bei durchschnittlich fünf Prozent niedrigeren Preisen.

www.thomascook-reisen.de

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