Sarkozy träumt von Groß-Paris

Tauziehen um Milliardenkosten und politischen Einfluss

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Paris soll Groß-Paris werden, indem die französische Hauptstadt administrativ, wirtschaftlich und sozial durch einen Teil der sie umgebenden Region ergänzt wird. Dieses ehrgeizige Projekt von Nicolas Sarkozy wurde durch ein im Eilverfahren durch die Nationalversammlung verabschiedetes Gesetz nun auf den Weg gebracht.

Seinen Traum hatte Nicolas Sarkozy schon im Präsidentschaftswahlkampf 2007 verkündet: Das Projekt Groß-Paris. Über ein Jahr lang hatte es innenpolitische Auseinandersetzungen um die Ausdehnung von Paris gegeben, und das Abstimmungsergebnis in der Nationalversammlung zeigt, dass diese längst noch nicht ausgestanden sind. Für das Gesetz stimmten 299 Abgeordnete der rechten Einheitspartei UMP. Die 216 Gegenstimmen kamen von den sozialistischen, kommunistischen und grünen Abgeordneten, und sogar ein UMP-Parlamentarier votierte dagegen, während 34 seiner Kollegen von der Regierungskoalition der Abstimmung aus Protest fernblieben.

Groß-Paris wird durch das Gesetz allerdings erst zu einem geringen Teil geschaffen. Beschlossen ist zunächst nur, ab 2013 einen vollautomatischen Metro-Ring um die Hauptstadt zu bauen, der 130 Kilometer lang ist und mehr als 40 Stationen haben wird. Er soll schrittweise zwischen 2017 und 2025 in Betrieb genommen werden. Mit dieser Metro sollen die vorhandenen Wohnsiedlungen und Wirtschaftszentren sowie neun neue Forschungs- und High-Tech-Standorte in den Vorstädten miteinander verbunden werden. Bislang muss jeder, der von einem Vorort in den anderen will, einen langen Umweg über das Zentrum von Paris nehmen.

Die neue Verkehrslösung soll bei der ehrgeizigen Aufgabenstellung helfen, in der heutigen Pariser Region, die rund zehn Millionen Einwohner zählt, in den nächsten 15 Jahren eine Million neue Arbeitsplätze zu schaffen. Von den 21 Milliarden Euro, die allein der Metro-Ring mit den Anschlüssen zu den vorhandenen Bahnlinien kosten wird, sollen vier Milliarden durch die Regierung und die betroffenen Städte und Departements aufgebracht und der Rest durch Kredite finanziert werden.

Bezeichnenderweise hat Staatssekretär Michel Blanc, der in der Regierung für die Groß-Paris-Planung zuständig ist, bei der Vorbereitung nicht mit der sozialistisch geführten Pariser Region zusammengearbeitet, obwohl bekannt war, dass auch die einen neuen Verkehrsplan ausgearbeitet hat. Hier wird deutlich, dass die Regierung das Ganze als ihr Projekt behandeln und bei dieser Gelegenheit den historischen »Roten Gürtel« um Paris, der arg geschrumpft ist, vollends schleifen will.

Bezeichnend ist auch, dass man für das hochbrisante soziale Problem bezahlbarer Wohnungen für Familien, die durch die steigenden Mieten und Immobilienpreise aus der Hauptstadt immer weiter in die Vororte verdrängt werden, keine Lösungen hat. Für die linken Gemeinderäte dort ist das jedoch eines der Hauptanliegen.

Enttäuscht und verbittert sind auch die meisten der in- und ausländischen Architekten und Städteplaner, die im Auftrag der Regierung ein Jahr lang in zehn Teams ebenso viele Projekte für ein zukunftsweisendes Groß-Paris ausgearbeitet haben. Ihre Modelle, Grafiken und Computersimulationen wurden von April bis November im Pariser Architekturmuseum ausgestellt, von Zehntausenden Parisern besucht und wegen der oft sehr kühnen, innovativen und vor allem umweltverträglichen Ideen viel gelobt. Doch in dem jetzt verabschiedeten Gesetz findet sich davon nichts wieder. »Das ist kein Gesetz über Groß-Paris, sondern bestenfalls ein Verkehrsplangesetz«, urteilt der renommierte Architekt Jean Nouvel.

Um den Unmut der Architekten und Urbanisten zu dämpfen, hat die Regierung jetzt angekündigt, kurzfristig ein staatliches Städtebauatelier einzurichten und zu finanzieren, das die vorliegenden Ideen für Groß-Paris aufgreift, weiterentwickelt und gegebenenfalls in die Pläne einfließen lässt. Auch rückt die Regierung schon vorsichtig von der ursprünglichen Absicht ab, das Gesetz im Eilverfahren noch vor den im März 2010 stattfindenden Regionalwahlen durch den Senat, die zweite Kammer des Parlaments, zu bringen. Nun wird es vielleicht doch noch nach den Wahlen einen zweiten Durchlauf durchs Parlament mit ausführlicherer Debatte geben.

Der Regierung scheint klar geworden zu sein, dass sie die Pläne für Groß-Paris nicht ohne und schon gar nicht gegen die links geführten Kommunen und Departements der Pariser Region durchsetzen kann, da sie allein schon für die Finanzierung des Metro-Rings auf den Beitrag dieser Körperschaften angewiesen ist.

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