Gegenwind für den kanadischen Bergbaumulti Barrick Gold

Fehlende Umweltversicherung bringt Expansionspläne in Argentinien ins Wanken

  • Antje Krüger
  • Lesedauer: 4 Min.
Die kanadische Konzern Barrick Gold verspürt in Argentinien heftigen Gegenwind. Der Argentinier Ricardo Vargas klagt beim Obersten Gerichtshof die fehlende Umweltversicherung im Bergbau des Multis ein – mit Aussicht auf Erfolg.
Ricardo Vargas kämpft gegen die Zerstörung der Berge und für den Erhalt der Wüstennatur.
Ricardo Vargas kämpft gegen die Zerstörung der Berge und für den Erhalt der Wüstennatur.

Rodrigo Jiménez Castellanos stupst immer wieder seine Fingerspitzen aneinander. Er sitzt vor einer Wand, die ein halbes Dutzend Logos bedeckt: »Barrick – Minería Responsable«, Barrick – Verantwortungsvoller Bergbau«. »Das Allgemeine Umweltgesetz schützt alle spezifischen Elemente der Umwelt. Veladero hält sich definitiv an dieses Gesetz«, sagt der Vizepräsident für Zusammenarbeit der Barrick Südamerika in die Kamera. Die Goldmine Veladero, auf die sich Castellanos bezieht, liegt inmitten des von der UNESCO geschützten Biosphärenreservats San Guillermo in der argentinischen Provinz San Juan. »Besteht für Veladero eine Umweltversicherung«, fragt der Journalist. »Es handelt sich hier um ein neues Gesetz, das gerade herausgekommen ist. Wir befinden uns in der Phase der Prüfung und Umsetzung«, antwortet Castellanos. Seine Augen zwinkern Nervosität. »Veladero hat also keine Umweltversicherung?« »Wie ich Ihnen sagte, das ist ein neues Gesetz und wir prüfen es gerade«, so Castellanos.

Dieser Dialog war am 17. Dezember im TV-Programm Telenoche Investiga in ganz Argentinien zu sehen. Das »neue Gesetz« wurde im Jahr 2002 als Allgemeines Umweltgesetz Nr. 25675 sanktioniert. Es verpflichtet jede Person oder Firma, die umweltzerstörende Aktivitäten durchführt, zur Reparation der Schäden. Artikel 22 verlangt zudem den Abschluss einer Versicherung, die eine ausreichende Finanzierung der Restauration garantiert. Er ist nach anfänglichen rechtlichen Schlupflöchern seit zwei Jahren obligatorisch. Diese Versicherung ist auch die Grundlage der Klage des Argentiniers Ricardo Vargas gegen die kanadische Barrick Gold Corporation. Er stellt sich damit als Einzelperson gegen den weltweit größten Goldförderer, ein bislang einmaliges Unterfangen. Und er hat nun Aussicht auf Erfolg. Seine Klage wurde zur Vorlage am Obersten Gerichtshof Argentiniens empfohlen. »Das könnte das Ende der Straflosigkeit sein, mit der unsere Berge zerstört werden«, freut sich Vargas. Drei Jahre lang hatte er darauf gewartet.

Vargas' Klage bezieht sich auf das binationale Megaprojekt Pascua Lama, das nur wenige Kilometer von Veladero entfernt ebenfalls von der Barrick Gold auf der argentinisch-chilenischen Grenze betrieben wird. Beide Minen liegen auf über 4500 Metern Höhe in den Anden der Provinz San Juan, aus der Ricardo Vargas stammt. Für den Goldbergbau zu Tage werden ganze Berge weggesprengt. Dabei wird Arsen freigesetzt und der Staub legt sich auf die umliegenden Gletscher, die schneller schmelzen. Das Metall wird in riesigen Becken mit Blausäure ausgewaschen. Für den Bergbau werden pro Sekunde über 100 Liter Wasser benötigt, ein Rohstoff, der in dieser Wüstenregion der einzige Lebensgarant ist. Schon heute führt der betroffene Fluss Jáchal weniger Wasser als je zuvor. Für diese Schäden betrüge nach ersten Berechnungen die Versicherungspolice für Pascua Lama, das über 17 Millionen Unzen Gold fördern soll, 700 Millionen Dollar. Ricardo Vargas hätte sich vor acht Jahren nie träumen lassen, einmal Experte für Goldbergbau und Umweltrecht zu werden. Schon immer fasziniert von der rauen Schönheit der Wüstennatur seiner Provinz erschloss er sich auf eigene Faust die unzugänglichsten Gebiete, darunter das Biosphärenreservat San Guillermo. Vargas stammt aus einer armen Familie, die es durch die Arbeit im Fleischgeschäft geschafft hat, den Sohn studieren zu lassen, drei Jahre Geophysik, zwei Jahre Wirtschaftswissenschaften. Aber Vargas trieb es in die Berge. Er wurde der erste staatlich anerkannte Bergführer im San Guillermo Nationalpark, wo (noch) die größte Vicuñaherde Südamerikas lebt, eine vom Aussterben bedrohte Lamaart. »Eines Tages bekam ich ein Angebot, für 800 Dollar täglich zu führen. Als ich nachfragte, wer so viel zahlen will, erfuhr ich vom Goldprojekt, das heute Veladero ist. Ich habe Protest bei der Nationalparkverwaltung eingelegt, ohne Erfolg. Sie haben mich rausgeschmissen«, erzählt Ricardo Vargas.

Mit seinem Freund, dem Anwalt Diego Segui, gründete Vargas die Beratungsstelle und Umweltschutzkanzlei »San Guillermo«. Seit acht Jahren arbeiten die beiden ohne jegliche finanzielle Unterstützung. Sie studierten minutiös die Umweltberichte der Barrick Gold, über 3000 Seiten für jede einzelne Mine. Ricardo Vargas fragte per Brief als Privatperson auf juristischem Wege bei der Barrick Gold nach, ob sie eine Umweltversicherung hätten. Die negative Antwort war der ausschlaggebende Punkt, die Klage beim Obersten Gericht einzureichen und die Schäden, die durch den Bergbau in San Juan entstehen, publik zu machen. Ende 2007 gab der Ombudsmann Argentiniens seiner Darstellung Recht.

Über die Kanzlei laufen noch zwei weitere Klagen gegen die Minen Veladero und Gualcamayo (Betreiber: Yamana Gold, Kanada). Die Klage Veladero liegt noch zur Prüfung vor, aber die Klage zu Gualcamayo wurde ebenfalls dem Obersten Gerichtshof zur Abstimmung vorgeschlagen. »Es ging mir nie darum, den Bergbau zu verteufeln. Aber er muss im Einklang mit allen anderen Interessen geschehen, egal ob Umweltschutz, Landwirtschaft, Tourismus oder der gerechtfertigte Anspruch der Anwohner auf eine intakte Umgebung. Wenn wir Recht kriegen, überlegen es sich die Betreiber der weiteren 18 Projekte, die im Biosphärenreservat geplant sind, vielleicht noch einmal. Es ist weit anforderungsreicher, eine Mine in einem Rechtsstaat zu betreiben als unter Straflosigkeit. Das wäre dann eine Überlebenschance für die Provinz«, so Ricardo Vargas. Und wenn das nicht klappt? »Dann fliege ich zum Sitz der Barrick Gold nach Kanada und zur UNESCO. Dann wird das, was heute noch national ist, international«, sagt Vargas, der David gegen Goliath.

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