Gefährlicher Frischbeton: Heimwerker verätzt sich – Hersteller muss auf Risiko hinweisen

Urteil

  • Lesedauer: 2 Min.

Ein Hauseigentümer, von Beruf Betriebswirt, erneuerte den Boden seiner Garage in Eigenregie. Bei einem Betonhersteller hatte er Fertigbeton (Frischbeton) bestellt. Sofort nach der Lieferung verteilte ihn der Heimwerker mit Schaufel und Rechen auf dem Boden. Dann zog der mit Jeans und Stiefeln bekleidete Mann etwa drei Stunden lang auf Knien den Beton glatt. Dabei sank er häufig mit den Knien in die Betonmasse ein. Bald war die Jeans völlig durchnässt.

Trotzdem ging der Heimwerker erst nach einer Arbeitspause von weiteren zwei Stunden unter die Dusche. Da bemerkte er an Knien und Unterschenkeln großflächige, dunkle Hautverfärbungen. Der alkalische Fertigbeton hatte die Haut verätzt. In einer Klinik für Brandverletzungen musste mehrfach Haut transplantiert werden.

Anschließend verbrachte der Mann mehrere Wochen in einem Rehabilitationszentrum. Den Betonhersteller verklagte er auf Schmerzensgeld.

Rund 4000 Euro Entschädigung sprach ihm das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg zu. Hersteller müssten nicht nur für Schäden durch fehlerhafte Produkte einstehen. Wer ein einwandfreies, aber mit Risiken behaftetes Produkt vertreibe, müsse vor der Gefahr warnen. Das gelte zumindest dann, wenn ein Produkt oder ein Werkstoff auch an Personen verkauft werde, die damit nicht vertraut seien, und wenn ein falscher Umgang damit nicht völlig fernliege.

Das treffe hier zu. Frischbeton sei kein »Allerwelts-Konsumprodukt«. Unerfahrene Heimwerker, die eher handwerklich ungeschickt vorgingen, müsse man über die Verätzungsgefahr von Zementstoffen informieren. Wissen darüber sei allenfalls bei Handwerkern vorauszusetzen.

Ein Mitverschulden (ein Drittel) müsse sich der Verletzte zwar anrechnen lassen, weil er über Basiswissen verfügte. Der Mann habe den negativen Einfluss von Frischbeton bereits verspürt, wenn auch nur bei flüchtigem Kontakt (»raue Hände«). Also hätte er daran denken sollen, dass intensiverer Hautkontakt schlimmere Folgen haben könnte. Die Kleidung so lange nicht zu wechseln, sei unvorsichtig gewesen. Aber nicht so leichtsinnig, dass dadurch die Haftung des Herstellers entfiele. Schließlich sei der Verletzte ein Laie. Er habe gedacht, für den Schutz der Haut genüge eine Jeanshose. Dieser Irrtum sei eben darauf zurückzuführen, dass der Heimwerker als Laie das produktspezifische Risiko des flüssigen Werkstoffs nicht kannte oder zumindest unterschätzte. Fahrlässigkeit belege dies nicht.

Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 26. Oktober 2009 - 4 U 250/08

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