Hände weg von Kuscheltieren

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist die Geschichte von einem, der auszog, um Weine zu entdecken und Menschen, die diese herstellen. Es ist ein Buch, das von Leidenschaft erzählt, wobei das Wort Leiden zum Teil auch ganz wörtlich zu nehmen ist. Denn auf der Expedition durch »Planet Wein«, wie er es nennt, ist der Autor Stuart Pigott nicht nur in zehn Jahren insgesamt sechs Mal um die Erde gereist und dabei zwei Mal lebensgefährlich erkrankt, sondern landete drei Mal auch fast im Knast. Was den leidenschaftlichen »Weinforscher« nicht abhielt, immer wieder den Koffer zu packen. Herausgekommen sind drei Bücher über Weinregionen, mit »Wein weit weg« ist er am Ziel der Reise angekommen.

Auf 544 Seiten nimmt der in Berlin lebende Weinjournalist den Leser mit in Weinberge in Europa, Nordamerika und Asien, und macht dabei so manche überraschende Entdeckung. Zum Beispiel, dass im Zuge der Klimaveränderung immer mehr gute Weine sowohl in Kanada als auch in Norwegen wachsen. Oder, dass auch aus anderen Früchten als Trauben hervorragende Weine entstehen können, wie Apfeleisweine in Kanada. Er quält sich nicht nur in Japan und China schreckliche Tropfen hinunter, von denen die Produzenten meinen, etwas ganz Tolles in die Flasche gebracht zu haben. So wie in anderen Bereichen wird in China auch beim Wein kopiert was das Zeug hält. Mit wenig Erfolg, wie Pigott erleben muss, denn der Versuch, aus den einheimischen Trauben Weine zu keltern, die den besten Bordeaux-Weinen ebenbürtig sind, funktioniert eben nicht. Aber er lernt sowohl in China als auch in Japan mutige junge Winzer kennen, die ganz eigene Wege gehen und dabei erstaunliche Qualitäten zustandebringen, die so manchen westlichen Spitzenwinzer in den Schatten stellen. China wird sich in den kommenden Jahren rasant zu einer der wichtigsten Weinregionen der Welt entwickeln, ist Pigott überzeugt.

Auf seiner Expedition kommt er auch in eine Weinwelt, deren Tropfen dem gebürtigen Londoner nicht so vertraut sind, wie die aus Chile oder Argentinien: Er reist nach Moldawien und in den Kaukasus und staunt nicht schlecht über das, was er dort zu sehen und zu schmecken bekommt. Der Kaukasus überrascht ihn mit vielen Rebsorten, die es nur dort gibt, und die in Amphoren ausgebaut werden.

Davon, dass die Weinwelt auch vor der eigenen Haustür im Aufbruch ist, überzeugt sich Stuart Pigott an der Mosel, wo er junge Winzer und experimentierfreudige Laien, für die Wein das schönste Hobby ist, trifft, von denen so mancher auf dem guten Weg ist, etablierten Weingütern Paroli zu bieten

Und noch etwas erfährt man: Hüte dich vor Kuscheltieren! Zumindest, wenn sie einem auf den Etiketten von Weinflaschen begegnen. Denn, so liest man bei Pigott, das amerikanische Satiremagazin »The Onion« hat die Manie von Winzern in Michigan, Tiere auf die Etiketten der Weinflaschen zu drucken, zum Aufstellen eines Gesetzes der Viecher-Weine veranlasst. Demzufolge verhält sich die Qualität in der Flasche umgekehrt proportional zur Wildheit des auf dem Etikett abgebildeten Tieres. Je knuddeliger das Viech, desto schlechter der Wein. Übertragen auf manches, was man insbesondere in deutschen Supermarktregalen antrifft, könnte man sagen: Hüte Dich vor besonders optisch ausgefallen daherkommenden Flaschen.

»Wein weit weg« ist kein Buch nur für Fachleute, sondern für jeden, der sich für Weine interessiert. Wie auch für Leute, die unter unstillbarem Fernweh leiden. Pigott nimmt sie mit auf eine Reise, wie man sie nicht im Reisebüro buchen kann, aber gerade das macht das Buch so spannend.

Stuart Pigott »Wein weit weg«, 544 S., geb., Scherz Verlag, ISBN 978-3-502-15115-9, 22,95 €.

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