Verbraucherschützer setzen auf neue EU-Kommission

Wichtige Entscheidungen für Bürger im neuen Jahr erwartet

  • Lesedauer: 4 Min.
Mit seinen Aktivitäten beeinflusst das Europäische Büro der Verbraucherorganisationen (BEUC) in Brüssel die Verbraucherpolitik der EU. So geht BEUC gegen versteckte Preiserhöhungen bei der neuen Verpackungsrichtlinie vor oder setzt sich für europäische Sammelklagen ein, die den Bürgerinnen und Bürgern einen erleichterten und kostengünstigen Rechtsschutz im Streitfall mit Herstellern und Dienstleistern zur Verfügung stellen sollen. Über den Verbraucherschutz in der EU sprach mit BEUC-Direktorin Monique Goyens für ND Kay Wagner.
Monique Goyens
Monique Goyens

ND: Frau Goyens, war 2009 ein gutes Jahr für Europas Verbraucher?
Goyens: Für den Verbraucher war das bestimmt kein gutes Jahr. Es gab die Finanzkrise, vergessen Sie das nicht. Aber wenn Sie über die europäische Verbraucherpolitik sprechen möchten, war 2009 ein Jahr, in dem nicht sehr viele Entscheidungen getroffen wurden. Im April hat das Europäische Parlament wegen der bevorstehenden Wahlen aufgehört zu arbeiten. Jetzt müssen sich die neuen Abgeordneten mit den Themen vertraut machen, das dauert ein bisschen. Und in der Kommission hat sich politisch seit September kaum noch etwas getan. Das hat zur Folge, dass einige wichtige Maßnahmen nicht verabschiedet werden konnten, die für den Verbraucher wichtig sind.

Welche meinen Sie?
Für uns ist die Verbands- oder Sammelklage weiter ein sehr dringendes Anliegen. Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hatte einen Vorschlag vorbereitet, der von der Kommission jedoch nicht angenommen wurde. Dazu gab es noch Pläne von Verbraucherschutzkommissarin Meglena Kuneva zum gleichen Thema. Wir hoffen, dass beide Initiativen nach der Einsetzung der neuen Kommissare in den nächsten Wochen schnell wieder aufgenommen werden.

Frau Kuneva wird nicht mehr Kommissarin sein, der Malteser John Dalli soll neuer Kommissar für Verbraucherschutz und Gesundheit werden.
Wir haben uns schon mit Herrn Dalli getroffen und er hat mich wirklich sehr angenehm beeindruckt. Er ist zurzeit Gesundheitsminister in Malta und arbeitet eigentlich sehr stark verbraucherorientiert, vor allem im Pharma- und Lebensmittelbereich. In den Bereich der Wirtschaftsrechte für die Verbraucher muss er sich vielleicht noch ein wenig einarbeiten.

Ist es ein Nachteil für die Anliegen der Verbraucher, dass Herr Dalli aus einem so kleinen Land wie Malta kommt?
Nein, das sehe ich nicht so. Seine Vorgängerin, Frau Kuneva, kommt aus Bulgarien, einem der jüngsten Mitgliedsländer der EU, und sie hat eine sehr gute Arbeit geleistet. Man muss die Person sehen und nicht das Land.

Wird die Verbraucherpolitik durch die neue Kommission gestärkt oder geschwächt?
Themen der Verbraucherpolitik sind jetzt bei mehr Kommissaren als vorher angesiedelt. Neben John Dalli wird sich Viviane Reding als Justizkommissarin um Verbraucherverträge, unlautere Handelspraktiken und Datenschutz kümmern. Neelie Kroes wird in der neuen Kommission für die sogenannte Digitale Agenda, also für alles, was mit der modernen Telekommunikation zu tun hat, verantwortlich sein. Kernthemen der Verbraucherpolitik sind damit breiter gestreut als bisher und werden von Kommissaren behandelt, die in der Vergangenheit sehr verbraucherfreundlich gehandelt haben. Weshalb ich eher von einer Stärkung sprechen würde.

Auch das EU-Parlament ist neu besetzt und in seiner Grundausrichtung konservativer geworden. Was bedeutet das für die Verbraucherpolitik?
Das hängt immer von den Themen und den Leuten ab. Deutsche Abgeordnete spielen jetzt in allen Ausschüssen und Gremien, die sich im Parlament um Verbraucherschutz kümmern, eine wichtige Rolle. Sie sind in allen Schlüsselpositionen. Das heißt für uns als europäische Organisation, dass wir sehr eng mit unseren deutschen Mitgliedsverbänden arbeiten müssen, um unsere Anliegen zu den entscheidenden Abgeordneten weiterzuleiten.

Ist das gut oder schlecht?
In diesen Kategorien will ich das gar nicht beurteilen. Für uns heißt das lediglich: Aufgepasst, im Europäischen Parlament kann es einen nationalen Einfluss auf die Verbraucherpolitik geben, weil die Schlüsselpositionen fast durchweg von Deutschen besetzt sind. Aber unser Verhältnis zu diesen Abgeordneten ist meist sehr gut.

Was werden 2010 die Meilensteine der europäischen Verbraucherpolitik sein?
Es ist durchaus realistisch, dass wir sehr viele Fortschritte in Sachen Verbraucherschutzrichtlinie haben werden …

Das bedeutet, dass veraltete Gesetze überarbeitet und in einem neuen Gesetz gebündelt werden sollen?
Genau. Das Parlament hat sich das Paket jetzt vorgenommen, allerdings sehr kritisch. Die Sammelklage sollte wieder auf den Tisch der Kommission kommen, und dann steht auch die Überarbeitung der Pauschalreise-Richtlinie an. Das ist sehr wichtig für uns, weil es in diesem Bereich viele Klagen der Bürger gibt. Ein großes Thema wird auch die Überarbeitung der Datenschutz-Richtlinie werden. Da hat sich seit 1995 viel verändert, gerade auch wegen des Internets. Hier muss sichergestellt werden, dass der Verbraucher selbst entscheiden kann, wem er wann welche Informationen über sich preisgeben will. Das ist momentan nämlich nicht der Fall. Im Finanzdienstbereich hoffen wir, dass nicht nur der Bankensektor auf der Ebene von Kontrolle und Management neu strukturiert wird, sondern dass man sich auch um Verbraucherschutzfragen – wie aggressives Marketing oder unlautere Geschäftsbedingungen – kümmert.

Wird 2010 ein gutes Jahr für die Verbraucherpolitik in Europa?
Ich glaube, ja. Weil es eine neue Struktur in der Kommission gibt. Und ich denke, dass die Kommissare, die etwas mit Verbraucherschutz zu tun haben, schnell zeigen wollen, dass Sie tatsächlich verbraucherfreundlich sind.

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