Tiefschlag für den Boxweltmeister

Ein Schweriner Gericht verurteilte Jürgen Brähmer wegen Körperverletzung zu 16 Monaten Haft. Der will in die Revision

  • Velten Schäfer, Schwerin
  • Lesedauer: 4 Min.
Nicht einmal der Berliner Staranwalt hat dem vorbestraften Boxweltmeister geholfen: Jürgen Brähmer soll zum dritten Mal in Haft. Doch rechtskräftig ist das Urteil noch nicht.

Im Ring hat Jürgen Brähmer seinen letzten großen Kampf am 22. November 2008 verloren. Damals hatte der Schweriner Boxer die Chance auf einen Weltmeistergürtel, kassierte gegen den argentinischen Titelverteidiger Hugo Hernán Garay aber eine Niederlage nach Punkten. Danach gab es nur noch Siege für ihn, ein Jahr lang hastete Brähmer förmlich von Gipfel zu Gipfel: März 2009 Europameister, August WBO-Interimsweltmeister, November Weltmeister im Halbschwergewicht – und schon im Dezember stürzte sich der Schweriner in die erste Titelverteidigung, in der er sich nach hartem Kampf gegen den Russen Dmitri Suchotsky letztlich behauptete.

Es scheint, als habe sich Brähmer sehr beeilt mit diesem Kampf. Einem Reporter hat er vor Jahren gesagt, sein Traum sei, einmal als Weltmeister in den Ring zu steigen und den Gürtel zu verteidigen. Dieses Erlebnis kann ihm nun keiner mehr nehmen. Und wäre alles »normal« verlaufen im Leben von Jürgen Brähmer, könnte er nun eine große Karriere starten. Mit seinen 31 Jahren ist er zwar nicht der Allerjüngste, aber dass er zäh ist, einstecken kann und niemals aufgibt, hat er im Ring sehr eindrücklich gezeigt. Er könnte jetzt seinen Titel noch ein paar Mal verteidigen und nebenbei eine Menge Geld einstecken. Doch am Dienstagnachmittag wurde Brähmer vom Amtsgericht Schwerin in eine andere Realität zurückgeholt. Eine Wirklichkeit, die den Juniorenweltmeister von 1996, das ewige Talent im Boxsport, nicht werden lassen will, was er sein könnte. Wegen Körperverletzung in zwei Fällen, begangen in einer Schweriner Disko, soll der Weltmeister ein Jahr und vier Monate ins Gefängnis. Weil Brähmer nicht zum ersten Mal wegen Körperverletzung verurteilt wurde und zudem zum Zeitpunkt der ihm angelasteten Tat unter Bewährung stand, gibt es keine Gnade – sollte das Urteil in der nächsten Instanz bestätigt werden.

Dass die juristische Auseinandersetzung noch nicht in der letzten Runde ist, haben nach dem Urteil in Schwerin beide Seiten bereits angekündigt. Die Staatsanwaltschaft hatte 18 Monate Haft gefordert.

Ein Schlag ohne Zeugen

In dem Prozess ging es um eine Nacht in der Schweriner Disko »Madison«. Am 14. November 2008 gegen zwei Uhr früh, kaum zwei Wochen vor seiner letzten sportlichen Niederlage, soll Brähmer dort mit einer 34-Jährigen Frau aneinandergeraten sein. Nach ihrer Aussage hat Brähmer sie mit Schlägen im Gesicht verletzt, auf einem Röntgenbild wurden Haarrisse im Nasenbein festgestellt. Brähmer bestreitet, die Frau geschlagen zu haben.

Der Prozess verlief wendungsreich. Im Oktober präsentierte Brähmers Verteidigung eine Reinigungskraft, die aussagte, man habe versucht, sie für Geld zu einer Aussage gegen Brähmer zu drängen. Ein anderer Zeuge sagte, die Klägerin habe ihrerseits den Inhalt eines Glases in Richtung Brähmer ausgeschüttet. Wirklich gesehen hat niemand den Schlag, aber letztlich zeigte sich das Gericht überzeugt davon, dass es ihn gegeben hat. Wenn dem so war, gab es für Richter Rainer Schmachtel keine andere Möglichkeit, als eine Haftstrafe ohne Bewährung auszusprechen.

Schon 1998, Brähmer galt damals als großes Nachwuchstalent und war bereits dem Universum-Boxstall aufgefallen, geriet der Sportler zum ersten Mal mit dem Gesetz in Konflikt. Wegen Raubes und schwerer Körperverletzung wurde er zu 42 Monaten Jugendstrafe verurteilt. Boxen durfte er dennoch, und Universum nahm ihn 1999 unter Vertrag.

Unfallgegner geschlagen

Im November 2002 hatte er schon fast zwei Dutzend Profikämpfe gewonnen – aber den Führerschein verloren. Dennoch fuhr er Auto, verursachte einen Unfall und schlug den Unfallgegner bewusstlos, als sich dieser nicht auf eine Lösung ohne Polizei einlassen wollte. Dafür wurde er zu zweieinhalb Jahren verurteilt. Dann kam Brähmer zurück und kämpfte sich an ein Comeback heran, auch wenn es 2007 einen weiteren Prozess gab. Diesmal sollte er einen Mann geohrfeigt haben, der sich an seinem Auto zu schaffen machte. Der Prozess endete mit Freispruch. Im Mai 2008 dann soll Brähmer einen Schweriner Barbesitzer geschlagen haben – der die Anzeige später angeblich gegen Geld zurücknahm.

»Hurricane« eingespielt

Im aktuellen Prozess hatte die Verteidigung den Song »Hurricane« von Bob Dylan per Laptop eingespielt. Darin geht es um den US-amerikanischen Boxer Rubin Carter, der 1966 in einem umstrittenen Verfahren wegen dreifachen Mordes verurteilt wurde. Boxklischees gibt es also genug um Jürgen Brähmer, mehr als er brauchen kann. Ob sein Boxstall auch bei einer neuen Haftstrafe zu ihm hält, und was ein rechtsgültiges Urteil ansonsten für seine Karriere bedeuten würde, ist bisher unklar. Universum, das bisher alle Eskapaden mitgemacht hat, will das letztinstanzliche Urteil abwarten.

Es wäre nicht das erste Mal für Brähmer, als Hafturlauber in den Ring zu steigen. Im Oktober 2002 durfte er gegen eine Kaution von 125 000 Euro für drei Tage aus dem Gefängnis und beim Kampf um einen WBC-Interkontinental-Titel antreten. Es wurde einer der Kämpfe, die Jürgen Brähmer gewonnen hat.

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