Neues Denken

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.

Neues Denken hat die Bundeskanzlerin angeregt. Ein Wort, das wie eine Erinnerung an Gorbatschow klingt. Aufbruch zu neuen Ufern, Bruch mit Konventionen. In der DDR hatte der subversive Lockruf nicht mehr viel Zeit, Fuß zu fassen, wurde in grober Selbstüberschätzung als Losung in der Außenpolitik genutzt. Doch wenigstens bei Angela Merkel ist er hängen geblieben.

Auch »neues Denken« hat den Makel, im Augenblick seiner Entdeckung schon gedacht zu sein. Wenn Angela Merkel zum neuen Denken über die Wirtschaftskrise auffordert, dann macht dies neugierig. Darauf, auf welche der bereits bekannten Wegbeschreibungen aus der Krise die Kanzlerin setzt. Denn politischer Freitod wäre es, nach neuem Denken ohne eigene Vorstellung zu rufen.

Dafür ist die Frau zu klug. Was also ist das neue Denken, das sie zum Allgemeingut erheben will? Zu hören waren in ihrer Rede Gemeinplätze – Freiheit, gedämpft durch Verantwortung etwa. Hartz IV ließ sich damit ebenso gut begründen wie der Afghanistan-Einsatz. Einen Weg, einen Ausweg aus der Krise gar, kann man damit nicht beschreiben. Angekündigt ist vielmehr die Rückkehr zum System vor der Krise – samt degeneriertem Finanzsystem und Zuweisung der Krisenlasten an die sozial Bedürftigen. Gestärkt sogar soll Deutschland so aus der Krise hervorgehen, meint die Kanzlerin. Damit ist kein neues Denken angekündigt. Allenfalls neuer Wind, vielleicht sogar Sturm.

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