Schwarzarbeit: Durchsuchungen zur Zulassungspflicht nicht immer rechtmäßig

Handwerk

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Zum Tatbestand der Schwarzarbeit gehört es auch, wenn jemand Tätigkeiten durchführt, für die er einen Eintrag in die Handwerksrolle brauchen würde, welchen er aber nicht besitzt. Man spricht dann von einem zulassungspflichtigen Handwerk. Welche Tätigkeiten zulassungspflichtig sind, regelt die Handwerksordnung. Es gibt jedoch Ausnahmen, bestimmte Tätigkeiten sind beispielsweise zulassungsfrei. Auch übt ein Betrieb kein zulassungspflichtiges Handwerk aus, wenn er Tätigkeiten vornimmt, die

– in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können,

– zwar eine längere Anlernzeit verlangen, aber für das Gesamtbild des betreffenden zulassungspflichtigen Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Fertigkeiten und Kenntnisse erfordern, auf die die Ausbildung in diesem Handwerk hauptsächlich ausgerichtet ist, oder

– nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind.

Immer wieder entsteht Streit über die Bedeutung solcher Definitionen in der Praxis. Den Handwerkskammern ist daran gelegen, unzulässige Gewerbeausübungen einzudämmen. Es kann sich hier – auch bei Beschäftigung fester Mitarbeiter und regelmäßiger Steuerzahlung – per Gesetz um Schwarzarbeit handeln. Zudem wird gegebenenfalls ein Bußgeld von bis zu 10 000 Euro nach der Handwerksordnung fällig. Betriebsuntersagungen sind ebenfalls möglich.

Um zu überprüfen, ob ein Betrieb ein zulassungspflichtiges Handwerk ausübt, können die Kammern Auskunft und Einsicht in die Unterlagen des Betriebes fordern und dürfen unter bestimmten Voraussetzungen die Geschäftsräume betreten (§ 17 HWO). Teilweise wird von den zuständigen Behörden eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Diese stellt jedoch einen schweren Grundrechtseingriff dar. Sie ist nicht in allen Fällen gerechtfertigt.

Im Folgenden einige einschlägige Gerichtsurteile:

Betretungsrecht durch die Handwerkskammer: Ein Malergeselle hatte eine Reisegewerbekarte für kleinere Reparaturen. Er arbeitete von seiner Wohnung aus. Ein Beauftragter der Handwerkskammer wollte bei ihm einen Betriebsbesuch vornehmen, da der Verdacht bestünde, dass er unberechtigt das Maler- und Lackiererhandwerk ausübe.

Der Geselle verweigerte den Zutritt zu seiner Wohnung. Die Handwerkskammer leitete ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen ihn ein. Das Bundesverfassungsgericht war der Ansicht, dass hier allzu freigiebig mit Grundrechten umgegangen werde. Die Wohnung sei grundsätzlich unverletzlich.

Ein Betretungsrecht nach der Handwerksordnung existiere nur unter engsten Voraussetzungen. Der Betroffene könne hier überhaupt nicht in die Handwerksrolle eingetragen werden, da dies nur mit Meisterbrief möglich sei. Lägen die Eintragungsvoraussetzungen eindeutig sowieso nicht vor, sei auch das Betreten seiner Wohnräume nicht gerechtfertigt. (BVerfG, Urteil vom 15.03.2007, Az. 1 BvR 2138/05)

Betriebsdurchsuchung durch das Ordnungsamt: Eine GmbH verkaufte unter anderem Fliesen und Naturfußböden. Einen Eintrag in die Handwerksrolle als Fliesenlegerbetrieb besaß sie nicht. Bei einer Baustellenkontrolle ertappte das Ordnungsamt einen Mitarbeiter beim Verlegen von Bodenfliesen. Die GmbH war der Ansicht, dass dies eine zulässige unwesentliche Nebentätigkeit des Handelsgeschäfts gewesen sei. Das Amtsgericht ordnete eine Durchsuchung der Geschäftsräume an. Das Bundesverfassungsgericht hob den Durchsuchungsbeschluss auf: Er enthalte keine ausreichende Begründung. Zumindest müssten die Paragraphen genannt werden, gegen die der Betreffende verstoßen haben soll. Es sei unklar, ob sich das Amtsgericht überhaupt mit der Frage der Verhältnismäßigkeit befasst habe. An diese seien hier hohe Anforderungen zu stellen. (BVerfG, Urteil vom 26.03.2007, Az. 2 BvR 1006/01)

Dachstuhlerrichtung im Reisegewerbe: Bei einer Baustellenkontrolle fiel dem Ordnungsamt ein Mann auf, der gerade einem eigenhändig errichteten Dachstuhl den letzten Schliff gab. Er konnte nur eine Reisegewerbekarte vorweisen.

Sein Standpunkt war, dass er durchaus im Reisegewerbe komplette Dachstühle erstellen dürfe, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein. Das Amtsgericht ordnete eine Wohnungsdurchsuchung an.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts entschieden: Die Durchsuchung sei vorschnell und auf unzureichender Verdachtsgrundlage angeordnet worden. Wenn unklar ist, ob überhaupt eine Ordnungswidrigkeit vorliege, müsse eine besonders strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung stattfinden.

Auch im Reisegewerbe sei es denkbar, dass der volle Leistungsumfang des Zimmererhandwerks erbracht werde – zulässigerweise ohne Eintrag in die Handwerksrolle. Es habe hier kein hinreichender Anfangsverdacht bestanden, der eine Hausdurchsuchung rechtfertige. (BVerfG, Urteil vom 27.04.2007, Az. 2 BvR 449/02)

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