Finanzminister unter Druck

Skandal um die Rettung des US-Versicherungskonzerns AIG

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.
US-Finanzminister Timothy Geithner gerät zunehmend unter Druck. Zum einen wird ihm vorgeworfen, zu bankenfreundlich zu sein. Zum anderen soll er verantwortlich für die Unterdrückung von Informationen über die Rettungsmilliarden an AIG sein.

Enthüllungen von Einzelheiten der Rettung des US-Versicherungskonzerns American International Group (AIG) im Herbst 2008 könnten zu einem handfesten Skandal führen. Der US-Kongress untersucht derzeit, ob die Federal Reserve Bank (Fed) von New York, die für die Wall Street zuständige Zweigstelle der US-Notenbank, AIG angewiesen hat, Informationen über Auszahlungen an Banken zu verheimlichen, die schon staatliche Stützungsdarlehen bekommen hatten. Kritiker sagen, es sei nicht notwendig gewesen, den Banken zweimal staatliche Hilfsgelder zukommen zu lassen – durch direkte Stützungszahlungen und über die AIG.

Chef der New Yorker Fed war damals Timothy Geithner, heute Finanzminister der USA. Die Vorwürfe scheinen den in der amerikanischen Öffentlichkeit vorherrschenden Eindruck zu untermauern, Geithner sei allzu freundlich gegenüber den Banken. Freundlicher jedenfalls als gegenüber dem Durchschnittsbürger, der unter den Folgen der hohen Arbeitslosigkeit leidet, und dem Mittelstand, der nur schwer Kredite bekommt.

Bei der Anhörung im Kongress sagte Geithner am Mittwoch (Ortszeit) in Washington: »Ich hatte nichts mit diesen Entscheidungen zu tun, was über bestimmte Finanzfragen im Zusammenhang mit Maiden Lane II und Maiden Lane III sowie Zahlungen von AIG an seine Geschäftspartner zu veröffentlichen war.« Maiden Lane II und Maiden Lane III sind zwei Fonds, die von der New Yorker Fed eingerichtet worden waren, um daraus AIG die Zahlungen von fälligen Versicherungsleistungen in Höhe von 30 Milliarden Dollar zu ermöglichen.

John Mica, Republikaner aus Florida, warf Geithner dagegen vor, in die Verschleierungsaktion verwickelt gewesen zu sein. »Wir bekommen eine lahme Geschichte von Ihnen aufgetischt«, sagte er Geithner. »Ich weiß nicht, warum wir nicht Ihren Rücktritt fordern sollten.«

Vertrauliche E-Mails, die republikanischen Mitgliedern des Kontrollausschusses im Repräsentantenhaus zugespielt wurden, legen offen, dass AIG und die Mitarbeiter der New Yorker Fed wichtige Veröffentlichungen »redigierten«. So seien Banken aus der Liste der Zahlungsempfänger gestrichen worden, die schon direkte staatliche Zuwendungen zur Krisenüberbrückung bekommen hatten. Zahlreiche Großbanken hatten Milliarden an Derivaten (»Credit Default Swaps«, CDS) bei AIG untergebracht, die sich auf den Handel von Ausfallrisiken von Krediten, Anleihen oder anderen Risikoaktiva spezialisiert haben. Als der Markt einbrach, musste AIG für Ausfälle in Milliardenhöhe haften und stand selbst vor der Pleite. Der Konzern wurde mit öffentlichen Geldern gerettet und gehörte dadurch zu etwa 80 Prozent dem Staat.

Finanzminister Geithner, sein Amtsvorgänger Hank Paulson und Notenbankchef Ben Bernanke stritten im Ausschuss jede Verantwortung für die geschönten Veröffentlichungen ab. Der Republikaner Paulson sagte vor dem Komitee, die Rettung von AIG mit 182 Milliarden Dollar sei notwendig gewesen, um eine im freien Fall befindliche Wirtschaft zu stabilisieren. Wäre AIG zusammengebrochen, »hätte der Mittelstand keine Finanzierungen mehr bekommen«.

AIG verkauft derzeit Wertpapiere, um die Regierungsgelder zurückzuzahlen. Bisher sind vor allem mit Hilfe von Veräußerungen von Geschäftsteilen 56 Milliarden zurückgezahlt worden.

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