Europäischer Gerichtshof: Künftig längere Kündigungsfristen für Berufseinsteiger

Rechtsprechung

  • Lesedauer: 2 Min.

Arbeitnehmer, die schon mit jungen Jahren in das Erwerbsleben einsteigen, werden bei den deutschen Kündigungsfristen rechtswidrig benachteiligt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg verwarf kürzlich die entsprechende Regelung als unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. Als Konsequenz muss Deutschland das Gesetz ändern, Gerichte sollen die Regelung ab sofort nicht mehr anwenden. (Az: C-555/07)

Laut Bürgerlichem Gesetzbuch beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist mindestens vier Wochen. Für den Arbeitgeber erhöht sie sich mit der Betriebszugehörigkeit in mehreren Stufen auf bis zu sieben Monate nach zwanzig Jahren. Dabei zählt allerdings die Beschäftigung vor dem 25. Geburtstag nicht mit. Diese bereits 1926 in das Gesetz eingefügte Regelung soll eine größere Flexibilität der Unternehmen und eine Entlastung bei der Kündigung jüngerer Arbeitnehmer bewirken. Den Jüngeren könne ein Wechsel des Arbeitgebers und auch des Arbeitsorts eher zugemutet werden, argumentierte Deutschland.

Nach dem Luxemburger Urteil könnten diese Gründe eine unterschiedliche Behandlung nach dem Alter durchaus rechtfertigen. Allerdings schieße die deutsche Regelung weit über das Ziel hinaus, weil sie unabhängig davon gelte, wie alt die Arbeitnehmer bei ihrer Entlassung sind. Im Ergebnis kann sich die Regelung bis zum Alter von 45 Jahren auswirken. Daher verstoße sie gegen das Diskriminierungsverbot, urteilte der EuGH.

Im Streitfall hatte ein Unternehmen in Nordrhein-Westfalen eine 28-jährige Mitarbeiterin nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit entlassen. Die gesetzliche Kündigungsfrist betrug nur einen Monat.

Würden auch die Beschäftigungsjahre vor ihrem 25. Geburtstag mitzählen, wären es vier Monate. Mit ihrer Klage forderte sie die viermonatige Frist; das Landesarbeitsgericht Düsseldorf legte den Streit dem EuGH vor. Der gab der Frau nun recht, formal muss allerdings noch das Landesarbeitsgericht entscheiden.

Der EuGH legte in seinem Urteil allerdings bereits fest, dass deutsche Gerichte die rechtswidrige Regelung ab sofort nicht mehr anwenden dürfen. Im Normalfall binden EuGH-Urteile bis zur Änderung der deutschen Gesetze nur die öffentliche Hand.

Zum Verbot der Altersdiskriminierung hatte der EuGH allerdings bereits 2005 festgestellt, dass dies zu den »allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts« gehört, also sozusagen zur ungeschriebenen EU-Verfassung. Mit der Diskriminierungsrichtlinie aus dem Jahr 2000 werde dieser Grundsatz nur konkretisiert. Solche allgemeinen Grundsätze seien aber auch für Private unmittelbar bindend, betonte der EuGH.

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