PLATTENBAU

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Schiebermütze sitzt keck auf den grauen Locken, die Gitarre ist locker unter den Arm geklemmt und ein zurückhaltenes Lächeln spielt um die Lippen von José Cobles. So kennt man den 86-jährigen Musiker in Santiago de los Caballeros, seiner Wahlheimat und obendrein die zweitgrößte Stadt der Dominikanischen Republik. Hier begann die musikalische Karriere von Puerto Plata alias José Cobles. Mit 27 Jahren strandete der junge Mann dort, nachdem er einige Jahre als Tischler für den damals größten Fruchtkonzern, die United Fruit Company, gearbeitet hatte. Den Hobel hatte er damals schon gegen die Gitarre eingetauscht. Abends zog er mit seiner Gitarre durch die Bars, Cabarets und Nachclubs der Stadt. Bald war er bekannt wie ein bunter Hund. Und da alle Welt bald wusste, dass er aus der Hafenstadt Puerto Plata stammt, wurde er fortan auch so genannt.

Auf Familienfeiern, Stadtfesten und in Bars spielte Puerto Plata fortan auf und wäre sicherlich auch als lokale Größe der Musikszene der Dominikanischen Republik abgetreten, wenn, ja wenn er nicht ähnlich wie die kubanischen Kollegen vom Buena Vista Social Club noch einmal entdeckt worden wäre. Die Verantwortlichen von Iaso-Records waren es, denen Puerto Plata mit seinem ungewöhnlichen Spielstil aufgefallen war und flugs stellten sie den Kontakt zu dem Mann her, der zwar 62 Jahre lange in die Saiten gegriffen, aber nie ein Studio von innen gesehen hatte. 2006 war das und der rüstige Rentner war Feuer und Flamme. Da seine alten Musikerkumpels bereits verstorben waren, wurde eine neue Band zusammengestellt, um den dominikanischen Son von Puerto Plata und seinen Zeitgenossen wieder aufleben zu lassen.

Der traditionelle Carnival-Song »Dolores«, ein Son mit Merengue Einflüssen, gehört genauso zum Repertoire wie der grandiose Bolero-Son »Lobatón«. Das Stück aus der Trujillo-Ära (1930–1960) markiert eine dunkle Phase der dominikanischen Musikgeschichte. Die Soneros wurden geschnitten, weil der Diktator mehr auf Merengue als auf Son stand. Bei den wenigen Plattenaufnahmen blieben Musiker wie Puerto Plata oder sein damaliger Sänger Daniel Rodríguez außen vor. Kleine klingende Meisterwerke wie »De que te vale« blieben somit dem Publikum im »El Arbolito«, wo Puerto Plata fast zum Inventar gehörte, vorbehalten.

Das ist seit 2007 vorbei, denn schon mit dem ersten Album »Mujer de Cabaret« landete Puerto Plata einen Achtungserfolg. Auftritte in den USA und exzelente Kritiken in der »New York Times« haben den Altmeister zum Ende der Karriere erstmals großes Publikum beschert. Im April stehen erneut eine Reihe Konzerte in den USA an, um »Casita de Campo«, so der Name des zweiten Albums, vorzustellen. Ob sich Puerto Plata anschließend auch aufmachen wird, um Europa seine Aufwartung zu machen, ist bisher noch nicht klar. Geträumt werden darf aber.

Puerto Plata: Casita de Campo (iaso-Records/Indigo)

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