Kunstfreiheit statt Soldatendrill

In Augsburg ist eine alte Kaserne zum Kreativ-Zentrum geworden

  • Patrizia Schlosser, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.
Während der nächtlichen Vergnügungsmeile im Zentrum von Augsburg bis vor Kurzem noch das Dönerverbot drohte, toben sich nur rund vier Kilometer weiter, im Kulturpark West, Kreative und Querdenker aller Art aus. Einst schoben dort Soldaten Dienst.

Augsburg. Seit drei Jahren entwickelt sich auf dem ehemaligen Gelände der US-Armee im Augsburger Stadtteil Kriegshaber eine muntere künstlerische Szene: Maler, Musiker, Fotografen, Schauspieler und Tänzer leben und arbeiten hier. Die hohen, mit Stacheldraht gesicherten Zäune um das weitläufige Areal zeugen noch von der Zeit der US-Armee. Doch im zweiten Stock der ausgedienten Armeekaserne Nummer 38 tritt der Besucher in eine bizarre Wohnzimmer-Atmosphäre ein.

Flohmarktsessel, bunt bemalte, mit Spiegeln und Fotos bedeckte Wände, und eine weiß schimmernde Badewanne unterm Kronleuchter – willkommen in Augsburgs kreativem Sammelbecken für Künstler aller Art. »Es ist günstig hier, und ich kann mich jederzeit mit Gleichgesinnten austauschen«, sagt Frauke Wichmann. Die 32-jährige Fotografin sitzt in ihrem großen Atelier vor dem Laptop. Ein alter Tresor, gekrönt von einem Puppenkopf, bewacht die Fotoausrüstung, auf den Regalen türmen sich Kunstbücher. Zum Quadratmeterpreis von fünf Euro hat Frauke Wichmann den Raum seit zwei Jahren gemietet. »Inzwischen vermieten wir an 1500 Künstler, und es gibt eine lange Warteliste«, sagt der Geschäftsführer vom Kulturpark West, Peter Bommas, zufrieden. Der Weg zur gemeinnützigen GmbH war für ihn und seinen Geschäftspartner Thomas Linder weit und steinig. Nach langem Hin und Her und einer großen Demonstration auf dem Rathausplatz 2005 gab die Stadt Augsburg schließlich vor drei Jahren grünes Licht für den Einzug der Künstler in die drei ehemaligen Armeekasernen.

»Wir haben hier die verschiedensten Kunstrichtungen und alle Altersklassen, vom 15-Jährigen bis zum Senior, vom Profi bis zum Hobbykünstler«, sagt Peter Bommas. Zahlreiche Kurse von Töpfern bis Salsa werden am Schwarzen Brett der Kasernen angeboten. Zu den Mietern gehört auch der 60-jährige Siegfried Stiller. Der Maler arbeitet im Haus 40 an mannshohen, farbenfrohen Bildern, meist weibliche Akte. Und er malt in prominenter Nachbarschaft: Auf seinem Gang hat auch Sepp Strubel, Holzbildhauer und ehemaliger Regisseur der Augsburger Puppenkiste, sein Atelier. »Im Kulturpark wird noch ganz viel passieren«, meint Stiller.

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