Kommunen »müssen« Straßenbeiträge erheben

Gutachten

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Die Thüringer Gemeinden müssen laut aktuellen Rechtsgutachten die umstrittenen Straßenausbaubeiträge erheben. Ein Verzicht komme aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht infrage, heißt es in dem kürzlich vom Innenministerium veröffentlichten Gutachten, das von der Landesregierung in Auftrag gegeben worden war. Gemeinden seien zur Gesetzestreue verpflichtet und könnten nicht selber darüber entscheiden, ob sie einem Gesetz Folge leisten oder nicht. Die gesetzliche Pflicht zur Erhebung der Beiträge gelte zudem unabhängig von der Finanzkraft der Kommune. Laut Gutachten haben rund 160 Gemeinden keine Beiträge erhoben.

Der Jenaer Verfassungsrechtler Michael Brenner verweist in dem 130 Seiten starken Papier vor allem auf die gesetzliche Pflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen, die 1991 festgeschrieben wurde. Die Gesetzesformulierung, dass eine Gemeinde die Beiträge erheben »soll«, war in einigen Gemeinden als Argument für einen Verzicht auf Beitragssatzungen ausgelegt worden.

Dies sei aber aus Rechtslage und Rechtsprechung auch in anderen Bundesländern nicht zu begründen, so Brenner. Zuletzt hatte 2005 das Thüringer Oberverwaltungsgericht zu einer Klage der Stadt Benshausen (Kreis Schmalkalden-Meiningen) festgehalten, dass »soll« eine Pflicht bedeutet.

Ausführlich beschäftigt sich das Gutachten mit dem brisanten Problem, dass nun in säumigen Gemeinden Beiträge für Straßen erhoben werden müssten, die zum Teil schon vor mehr als 15 Jahren ausgebaut worden seien. Die betroffenen Bürger könnten sich nicht darauf berufen, dass die Beitragspflicht durch jahrelange Untätigkeit einer Gemeinde verfalle. Es wäre »grotesk«, wenn gesetzwidriges Verhalten von Gemeinden dazu führen könnte.

Das Gutachten verwies zum Ausgleich von finanziellen Härten auf Teilzahlungsmöglichkeiten von bis zu 20 Jahresraten. Außerdem könne der Gesetzgeber unter anderem einen Stichtag einführen. Für Ausbaumaßnahmen vor diesem Zeitpunkt könnten weitere Teilzahlungsregelungen von bis zu 20 Jahren greifen.

Nach Ansicht Brenners bedeutet jeder rückwirkende Verzicht auf Beiträge einen Verstoß gegen die Gleichbehandlung. Dann müssten alle Bürger in den 80 Prozent der Gemeinden entschädigt werden, die Beiträge gezahlt hätten. Das könne sich nach Berechnungen von Huber auf 15 Milliarden Euro summieren.

Gutachten: dpaq.de/Gutachten

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