Die verrückteste Tribüne der Liga

Für die Spiele beim Hamburger FC St. Pauli bietet das angrenzende Gymnasium beste Fensterplätze

  • Martin Sonnleitner, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.

Hamburg. Der Kran und die in den Himmel ragenden Betonpfeiler versperren ein wenig die Sicht. Ansonsten ist der Blick auf das Spielfeld wunderbar. Fußball-Zweitligist FC St. Pauli hat die wohl skurrilste Tribüne der Republik. Es ist der dritte Stock des angrenzenden Wirtschaftsgymnasiums. Seit im Oktober 2009 die altehrwürdige Haupttribüne des Millerntor-Stadions abgerissen wurde, ist der wegen seiner außergewöhnlichen Fan-Szene bekannte Kiez-Club um eine Verrücktheit reicher: Das zuvor von der Tribüne verdeckte Gymnasium bietet kostenlose Fensterplätze bei Zweitliga-Spielen.

»Nicht auf die Stühle stellen, knien ja«, regelt Lehrerin Susanne Bach das Geschehen. Ihre fünfte Klasse der benachbarten Rudolf-Rost-Gesamtschule ist heute zu Besuch gekommen. Nun grölen sich die Kids die Seele aus dem Leib, Totenkopfflaggen wehen aus den Fenstern: Die Braun-Weißen empfangen Arminia Bielefeld. »Wir fühlen uns wie VIPs«, scherzt Schulleiter Ulrich Natusch, der das Ganze organisiert. Allerdings nimmt die neue West-Tribüne bereits Konturen an, sie wird das Gymnasium bald wieder verdecken.

Doch vorerst haben Lehrer und Schüler des Gymnasiums, das auch eine Berufsschule beherbergt, »die drei strategisch günstigsten Räume in Höhe Mittellinie« Fan-tauglich gemacht. Im Kunstraum gibt es Saft, Bier und Kuchen. »Bei Freitagsspielen wurde hier schon mal richtig abgefeiert«, sagt Schüler Torben Möller, der seit Oktober zu jedem Heimspiel kommt. »Sonntags ist es ruhiger, Montag müssen wir ja wieder zur Schule.« Dann erzielt Arminia das 1:0. »Buhhh«, tönt es aus vielen Kehlen.

»Einige sind eingefleischte Fans, andere kommen wegen des Spaßes. Wir sind Teil des Events«, betont Natusch den lockeren Charakter der Zusammenkunft von Jung und Alt. Und von der Schulfassade grüßt ein großes Transparent: »Das Wirtschaftsgymnasium St. Pauli grüßt Spieler und Fans! Ahoi!«

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