Böhmer verteidigt »Notbremse« bei Seminar

Umstrittene Lehrerfortbildung in Hallenser Gedenkstätte: LINKE sieht »Transport von Gesinnung«

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Heute geht in Halle eine Lehrerfortbildung zum »Diktaturvergleich« zu Ende. SPD-Innenstaatssekretär Rüdiger Erben hatte gegen das Konzept interveniert. Die CDU schäumte, doch Ministerpräsident Böhmer stellte sich am Freitag vor Erben.

Wolfgang Böhmer ergriff zeitig das Wort. In der Landtagsdebatte um die umstrittene Lehrerfortbildung in Halle, bei der gestern und heute der »Diktaturvergleich als Methode der Extremismusforschung« erläutert wurde, hatte FDP-Mann Guido Kosmehl gerade die Attacken auf Rüdiger Erben eröffnet, den SPD- Staatssekretär im Innenministerium und Vorsitzenden der Gedenkstättenstiftung, der sich öffentlich gegen jede Gleichsetzung der Diktaturen verwahrt und erklärt hatte, Mitarbeiter von Ministerium und Stiftung blieben dem Seminar fern. Das sei mehr als ein unbeachteter Schnellschuss, empörte sich Kosmehl, sondern werfe ein schlechtes Licht auf Erben. Die FDP ereiferte sich über eine unzulässige »Einflussnahme« der Regierung auf die politische Bildung.

In direkter Replik auf Kosmehl räumte Böhmer die Einflussnahme nicht nur ein, sondern bezeichnete sie als »notwendig und sachlich geboten«, auch wenn die Art des Einschreitens per Pressemitteilung »methodisch irritierend« sei.

Konflikt in Stiftung drohte

Der CDU-Regierungschef verwies auf das sensible Verhältnis der Opferverbände in der Gedenkstättenstiftung, in der die »einzigartigen« Verbrechen in der NS-Diktatur wie auch Menschenrechtsverletzungen während der DDR-Zeit dargestellt werden. Bislang respektierten sich die Verbände. Mit dem Seminar habe ein gravierender Konflikt gedroht: Die VVN-BdA, Vertreter der NS-Opfer, wurde in einem Vortragstitel als »trojanisches Pferd« des Antifaschismus bezeichnet und reagierte erbost. Erben, so der Regierungschef, habe in dieser Lage »schlicht die Notbremse gezogen«.

Diese Bewertung wich sehr von der des CDU-Fraktionschefs Jürgen Scharf ab, der Erben vorwarf, »in nicht hinzunehmender Weise« seine Kompetenzen zu überschreiten, und der den SPD-Mann davor warnte, sich »als Metternich Sachsen-Anhalts aufzuspielen«. In der CDU hatte für große Empörung gesorgt, dass Erben in einem Brief an die SPD-Basis der Union vorgeworfen hatte, den Versuch der Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus zu unternehmen. Das, so Scharf, belaste »nachhaltig« die Zusammenarbeit in der Koalition.

Im Kern gehe es indes nicht darum, wie sich Erben verhalten habe, sondern um das Konzept des Seminars, sagte Wulf Gallert, Chef der Linksfraktion. Das Programm habe »Parallelen und im Wesentlichen Gleichheitszeichen« gesetzt, wo ein Vergleich angekündigt war, sagte Gallert und zitierte den Politologen Roland Roth, der von einer »politischen Provokation« gesprochen hatte.

Gallert, dessen Partei im Programm ursprünglich ebenfalls in die Nähe des Linksextremismus gerückt wurde, bemängelte vor allem, dass Grundprinzipien politischer Bildung »substanziell verletzt« worden seien, darunter das Gebot, Sachverhalte stets kontrovers zu beleuchten. Die Veranstaltung, an der die Landeszentrale für politische Bildung und die Gedenkstättenstiftung beteiligt sind, sei »nicht politische Bildung, sondern Transport von Gesinnung«.

Mehr Teilnehmer als üblich

An der Kritik ändert auch eine erfolgte Überarbeitung des Programms nichts, sagte SPD-Fraktionschefin Katrin Budde: Sie halte die Veranstaltung weiter »für nicht gelungen«. Abgehalten wurde sie dennoch; Erben trat als Referent auf. Gestern gab es vor dem Veranstaltungsort eine Protestkundgebung, auf der auch Juso-Bundeschefin Franziska Drohsel sprechen sollte. Dem Seminar selbst hat der Rummel offenbar genutzt: Die Teilnehmerzahl lag mit 40 bis 50 weit über dem üblichen Wert.

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