Die letzte Pflicht

Ungeliebte erste Eistanzrunde vor dem Ende

  • Andreas Frank (SID), Turin
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Lokalmatadoren machten das Licht aus. Mit dem Golden Waltz der Italiener Anna Cappellini und Luca Lanotte (Foto: AFP) könnte bei der Eiskunstlauf-WM im Palavela von Turin die jahrzehntelange Ära der Pflichttänze zu Ende gegangen sein. Denn die Abschaffung des von den meisten Athleten ungeliebten ersten von drei Wettbewerbsteilen gilt als beschlossene Sache. Beim Kongress des Weltverbandes ISU im Sommer in Barcelona geht es nur noch darum, in welcher Form man möglicherweise einzelne Elemente in den Originaltanz integriert.

»Eine richtige Entscheidung, denn es langweilt die Zuschauer, wenn sie stundenlang immer wieder den gleichen Tanz sehen«, sagt die deutsche Meisterin Christina Beier. Auch ihr Trainer Rene Lohse will den alten Zopf abschneiden, relativiert aber: »Für den Nachwuchs ist der Pflichttanz weiterhin eine wichtige Trainingsform.«

Carolina und Daniel Hermann aus Dortmund, die in Turin den deutschen Startplatz der Beiers einnehmen, sind dagegen stets gern Tango Romantica, Westminster Waltz oder Paso Doble getanzt. »Uns hat es immer Spaß gemacht, an jeder Nuance zu arbeiten«, berichtet Daniel Hermann. Olympiasieger Scott Moir aus Kanada wiederum weint der Pflicht keine Träne nach: »Ihr Ende wäre eine positive Sache.«

Die Kufenkünstler lösen sich von ihrem letzten Anachronismus. Vor 20 Jahren wurde die Pflicht in den Einzeldisziplinen abgeschafft, im Paarlauf hatte es sie nie gegeben. Die deutschen Titelverteidiger Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy stiegen in Turin mit Platz drei direkt ins Kurzprogramm ein und hatten in der gestrigen Kür (nach Redaktionsschluss) noch alle Chancen auf Gold.

Der ISU geht es auch darum, Meisterschaften zu verkürzen und damit Kosten zu sparen. Zudem haben sich die Prognosen, ohne eine Pflicht würde die Kufentechnik vernachlässigt, nicht bestätigt. »Dazu ist es nie gekommen«, sagt der Trainer Michael Huth. Er kennt den direkten Vergleich aus eigener Erfahrung: 1988 in Calgary musste er noch die gefürchteten Schlingenbogen- und Gegendreierparagraphen millimetergenau ins Eis ritzen. Für seine Schützlinge hat sich das nun wohl erledigt.

Paare nach Kurzprogramm:

1. Pang/Tong (China) 75,28 Pkt., 2. Kawaguti/Smirnow (Russland) 73,12, 3. Sawtschenko/Szolkowy (Chemnitz) 69,52 ... 14. Hausch/ Wende (Oberstdorf/Essen) 49,74

Herren nach Kurzprogramm: 1. Takahashi (Japan) 89,30 Pkt., 2. Chan (Kanada) 87,80, 3. Joubert (Frankreich) 87,70, ... 25. Liebers (Berlin) 54,09, nicht im Finale der besten 24.

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