Eine Gedenkstätte mit vielen Jahren Verspätung

Torgauer Erinnerungsort für Opfer der Wehrmachtsjustiz wird am 9. Mai eröffnet / Opferverband wartet noch auf Einladung

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Die seit 2007 fertiggestellte Gedenkstätte am Fort Zinna in Torgau, die an Opfer der Wehrmachtsjustiz erinnert, wird am 9. Mai eingeweiht. Der Streit um die Gestaltung des Memorials ist aber noch immer nicht ganz beigelegt.
Die Gedenkstätte am Fort Zinna in Torgau
Die Gedenkstätte am Fort Zinna in Torgau

Mehrere Termine für eine Einweihung sind verstrichen, nun soll die Gedenkstätte Fort Zinna in Torgau am 9. Mai eröffnet werden. Bereits seit Oktober 2007 sind die Bauarbeiten am Erinnerungsort beendet. Doch Streit um die Gestaltung der Anlagen und die Texte auf Informationstafeln verhinderte die offizielle Übergabe. Zum 65. Jahrestag der Befreiung soll nun ein Festakt stattfinden, bestätigte das Sächsische Wissenschaftsministerium auf ND-Anfrage.

Streit gab und gibt es, weil es sich bei dem Memorial vor den Mauern der in napoleonischer Zeit errichteten Festung eigentlich um zwei Gedenkstätten handelt. Eine erinnert an die Opfer der NS-Militärjustiz. Die Militärrichter im Dritten Reich verhängten 30 000 Todesurteile, von denen 20 000 vollstreckt wurden. Kriegsdienstverweigerer, Deserteure und »Wehrkraftzersetzer« gehören zu den größten Opfergruppen der NS-Zeit. Torgau ist einem Beschluss des Bundestages zufolge dafür der zentrale Erinnerungsort. In Fort Zinna befand sich ab 1938 das größte Militärgefängnis des Reiches; 1943 verlegte auch das oberste Militärgericht seinen Sitz in die Stadt.

Erinnert wird in Fort Zinna auch an die Insassen der sowjetischen Speziallager Nummer 8 und 10, die bis 1948 in Torgau bestanden und in denen rund 800 Menschen zu Tode kamen. Beide Gedenkorte befinden sich in direkter Nachbarschaft und sind nur durch eine Hecke getrennt. Anstoß daran nehmen die Opfer der NS-Militärjustiz. Ludwig Baumann, der Vorsitzende ihrer Bundesvereinigung, verweist darauf, dass in den Speziallagern auch Kriegsrichter und andere inhaftiert waren, die ihn und seine Leidensgenossen malträtierten. Gebe es keine klare Trennung zwischen beiden Gedenkstätten sowie ausreichend klare Formulierungen auf den Informationstafeln, empfinde er den Gedenkort als »Schandmal«, sagt Baumann.

Nach zähem Ringen scheint nun zumindest ein wesentlicher Kritikpunkt entkräftet zu werden. Dabei geht es um die Tafelinschriften. Baumann hatte immer wieder Anstoß an uneindeutigen Formulierungen genommen. Nun soll ausdrücklich erwähnt werden, dass zu den Insassen der Speziallager auch Kriegsrichter gehört hätten – »insbesondere in den Speziallagern Nr. 8 und Nr. 10 in Torgau«. Korrigiert werden sollen auch historisch falsche Angaben zur Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz. Ursprünglich hieß es, sie seien 1998 rehabilitiert worden. Tatsächlich beschloss der Bundestag aber erst 2002 die Aufhebung der Urteile etwa gegen »Wehrkraftzersetzer« und Kriegsdienstverweigerer; Urteile wegen Kriegsverrats sind erst seit 2009 aufgehoben. Das Ministerium teilte jetzt mit, auf den Tafeln würden »die notwendigen und der jetzigen Gesetzeslage entsprechenden sowie historisch korrekten Änderungen« vorgenommen.

Nicht entgegen kommt man den Forderungen des Opferverbandes bei der Gestaltung der Gedenkstätte. Baumann hatte stets kritisiert, die zwischen beiden Bereichen gepflanzte Hecke sei zu kurz, um eine »vollkommen feste« Trennung zu gewährleisten. Noch im Januar hatte Baumann in einer Stellungnahme für die Stiftung Sächsische Gedenkstätten betont, werde die Hecke nicht verlängert, wolle man »die Gedenkstätte nicht mittragen« – eine Haltung, die er gegenüber ND bestätigte: Ohne ausreichende Trennung, so der 88-Jährige, »ist das nicht unsere Gedenkstätte«.

Noch völlig unklar ist, ob Baumann, der 17 Monate im Fort Zinna inhaftiert war und nach eigener Aussage der letzte Torgau-Überlebende in der Opfervereinigung ist, bei der Eröffnung am 9. Mai auf die Kontroverse eingehen kann. Er habe knapp vier Wochen vor dem Festakt weder eine Einladung noch überhaupt eine offizielle Information über die bevorstehende Eröffnung erhalten: »Das ist schon ein starkes Stück.« Im Ministerium ist man derzeit noch nicht in der Lage, Aussagen zu Ablauf und Rednerliste für den 9. Mai zu treffen: Beides sei »in intensiver Planung«, heißt es. Vertreter der Opferverbände müssten freilich auf jeden Fall zu Wort kommen, betont Detlef Garbe, Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und Mitglied im Beirat der Bundesvereinigung. Ihnen an diesem Tag keine Redezeit einzuräumen, sei, wie er formuliert, »gar nicht denkbar«.

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