Der Bock soll Gärtner werden

Die Stadt Hamburg hat einen Plan für das Gängeviertel vorgelegt

  • Reinhard Schwarz, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Hansestadt Hamburg will das Hamburger Gängeviertel behalten, ein privater Investor hat demnach keine Chance. Derzeit verhandelt die Künstlerinitiative »Komm in die Gänge!« mit Vertretern der Stadtentwicklungsbehörde über ein Nutzungskonzept für das historische Quartier.

Einst lebten hier Arbeiter, Handwerker und kleine Gewerbetreibende. Das ist lange her. Seit Jahren verkamen und verrotteten die Reste des Hamburger Gängeviertels, die von dem holländischen Investor Hanzevast saniert und einer zahlungskräftigen Kundschaft zugeführt werden sollten. Doch dazu kam es nicht. Im August 2009 nahmen rund 200 Künstler unter dem Motto »Komm in die Gänge!« das Viertel unter Beschlag, fingen sofort mit Renovierungsarbeiten an. Parallel dazu verwandelten sie das düstere und enge Quartier in ein lebendiges Experimentierfeld für Kreative aller Art.

Wandel des Bewusstsein?

Und das Wunder geschah. Statt wie sonst üblich die Polizei zu rufen, setzte die Stadt auf eine Verhandlungslösung und zahlte schließlich im Dezember den holländischen Investor Hanzevast aus. Im Herbst und dem folgenden eisigen Winter machten sich die Künstler daran, das verrottete Ensemble so gut es geht herzurichten. So ändern sich die Zeiten: Wurden die einstigen Besetzer der zum Abriss bestimmten Hafenstraßenhäuser in St. Pauli vor rund 20 Jahren von der Springerpresse noch zu Staatsfeinden und für vogelfrei erklärt, jubeln nun sogar die Hauspostillen Hamburger Abendblatt und Die Welt über die »netten« Kreativen.

Möglicherweise dokumentiert sich in dieser Haltung aber auch ein gewisser Bewusstseinswandel, denn oft genug rückt in Hamburg der Abrissbagger an, wenn ein Investor den Antrag dazu stellt und der behördliche Denkmalschutz – wie meist üblich – grünes Licht gibt. An Stelle historischer Häuser entstanden und entstehen dann (später häufig leer stehende) Spekulations-Bürobauten aus Glas und Beton oder Eigentumswohnungen für Begüterte.

Vor einigen Tagen nun verkündete die von der grünen Senatorin Anja Hajduk geführte Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) das Ergebnis der Gespräche mit Vertretern der Künstlerinitiative »Komm in die Gänge«. Oberflächlich betrachtet klingt das Ergebnis ganz gut. »Die Grundstücke verbleiben in städtischem Eigentum und werden im Rahmen einer Treuhandlösung bereitgestellt«, heißt es in einem Eckpunktepapier der Behörde. Weitere Punkte klingen auch nicht schlecht: »Tiefgaragen sind nicht vorgesehen.« – »Eine Luxusmodernisierung ist ausgeschlossen.« – »Grundsätzlich ist von Mietwohnungen, nicht von Eigentumswohnungen auszugehen.«

Andere Punkte des Behördenentwurfs hingegen müssten hellhörig machen: »In einem Finanzierungskonzept sind für Ateliernutzungen Kostenmieten, für sonstige Gewerbe Marktmieten zu Grunde zu legen.« Doch was sind »Marktmieten« in einer der teuersten Gegenden der Hansestadt? Derzeit finden in den früheren Ladenwohnungen am Valentinskamp – im unteren Teil eine teure Einkaufsmeile – Low-Budget-Inszenierungen und -Ausstellungen statt. »Mit Alternativläden ist es dann aus, wenn dieses Konzept umgesetzt wird«, fürchtet einer der Aktiven. Unterm Strich soll lediglich die als Kulturzentrum und Versammlungsraum genutzte »Fabrik« erhalten bleiben. Die restlichen Häuser sollen in Sozialwohnungen verwandelt werden.

Für Unruhe sorgen auch Pläne, zwei Häuser – das »Kutscherhaus« und das »Speckstraßenhaus« – in bekannter Manier zu entkernen, so dass »daher nur die Gebäudehüllen erhalten werden«, wie es im Behördenpapier heißt. »Eine solche Entkernung ist nicht in unserem Sinne«, erklärte denn auch Initiativensprecherin Christine Ebeling. Kein Wunder: Haben doch gerade hier Künstler viel Schweiß, Zeit und Material investiert, um diese alten Arbeiterquartiere wieder herzurichten.

Sanierungsträger benannt

Sorgen muss auch eine Ankündigung der Behörde bereiten, die (privatisierte) Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) als Sanierungsträger für das Quartier zu beauftragen. War es doch gerade die Steg, unter deren Ägide das Hamburger Schanzenviertel zu einem abschreckenden Beispiel für Gentrifizierung mit rapide steigenden Mieten und Verdrängung alteingesessener Geschäfte verkam.

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