Verdacht auf Präsidentin Arroyo

Politische Einflussnahme auf die Justiz der Philippinen?

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.
Es war eines der schlimmsten Blutbäder in der jüngeren Geschichte der Philippinen: 57 Personen kamen am 23. November vergangenen Jahres in einem Hinterhalt ums Leben, darunter 32 Medienvertreter.

Das Verbrechen wurde auf den Philippinen als Maguindanao-Massaker bekannt. Es war offenbar sorgsam geplant. Nach bisherigen Erkenntnissen wollten die Ampatuans, der tonangebende Clan im südlichen, muslimisch dominierten Mindanao, einer anderen Familie eine blutige Lektion erteilen. Die hatte wahrscheinlich gewagt, die Allmacht des Clan-Patriarchen Andal Ampatuan und seiner Verwandten herauszufordern. Jetzt aber wurde die Anklage gegen zwei Beschuldigte fallen gelassen. Vermutet wird politische Einflussnahme von höchster Stelle.

Die Familie Ampatuan gehört zu den wichtigsten Verbündeten der philippinischen Staatschefin Gloria Macapagal-Arroyo (Foto: dpa) in der Region. Die Präsidentin, die laut Verfassung bei den Wahlen am 10. Mai nicht wieder kandidieren darf, ihrer Partei jedoch einen Sieg und sich selbst ein Abgeordnetenmandat sichern will, soll die umstrittene Entscheidung hinter den Kulissen bewirkt haben. Niemand kann sich vorstellen, dass Justizminister Alberto Agra ohne Absprache mit der Präsidentin gehandelt hat. Entsprechend scharf fällt die Kritik von Hinterbliebenen der Opfer, oppositionellen Politikern und sogar aus dem Klerus aus.

So äußerte Deogracias Iniguez, Sprecher der Katholischen Bischofskonferenz der Philippinen, tiefes Befremden über Agras Schritt, die Anklagen wegen Rebellion und Mord gegen Zaldy und Akmad Ampatuan fallen zu lassen. Das sind zwei von sechs Mitgliedern der Familie, die nach dem Massaker verhaftet wurden. Insgesamt sind 23 Angehörige des Clans wegen direkter Beteiligung oder Mitwisserschaft angeklagt, die Gesamtzahl der Beschuldigten beläuft sich auf 197. Die treibende Kraft soll Familienoberhaupt Andal Ampatuan gewesen sein. Er wurde dieser Tage in ein Hochsicherheitsgefängnis überstellt. Andal war früher Gouverneur, wie auch zwei seiner drei Söhne bis zu ihrer Suspendierung wegen der Anklage: Zaldy regierte in der Autonomen Region Muslimisches Mindanao (ARMM), Sajid in Maguindanao. Auch Andal Junior, der dritte Sohn, war wie Cousin Akmad vermutlich in die Planungen des Massakers verwickelt.

Akmad und Zaldy werden nun jedoch wahrscheinlich straffrei ausgehen. Zaldy hat für den 23. November selbst zwar ein Alibi, mindestens ein Belastungszeuge ist sich aber sicher, dass auch er am Vortag dabei war, als offenbar die letzten Vorbereitungen für die Mordaktion besprochen wurden.

Die Eile bei der Entlastung zweier Ampatuans und deren Zusammenhang mit den nahenden Wahlen lassen bei Kritikern sämtliche Alarmglocken schrillen. Arroyo wolle sich auf diese Weise die weitere Unterstützung des Clans im Hinblick auf den Urnengang sichern, heißt es.

Regierungssprecher bestreiten einen solchen Zusammenhang natürlich vehement, Opferanwälte haben dagegen bereits Berufung angekündigt. Die Entscheidung des Justizministers sei »eine klare Botschaft, dass Warlords willkürlich und ohne Angst vor Verfolgung töten können«, sagte Julius Mariveles, Präsident des Negros Presseklubs, bei einer Protestveranstaltung, an der rund 40 Reporter und Organisationsvertreter teilnahmen. Die philippinische Journalistenunion (NUJP) erklärte sarkastisch: »Vergesst Gerechtigkeit! Vergesst das Gesetz! Vergesst Demokratie!«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal