Seemannsgarn und Falteschiffchen

Rostock feiert heute den Doppelgeburtstag seiner Häfen – mit Traditionstreffen und Volksfest

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Rostocker Häfen werden 50 beziehungsweise 60 Jahre alt. Einst waren sie der Stolz der DDR-Schifffahrt, nach 1989 haben sich beide Hafenbetriebe vergleichsweise gut über die Wende gerettet.

»Wussten Sie schon, dass 1950 das Fischkombinat Rostock gegründet wurde? Dass 1966 die Hafenanlagen am Warnowkai übergeben wurden?«

Wussten wir. Aber auch wenn nicht: An solcherlei Informationen, auf Handzetteln oder durch Mundpropaganda, kommt man in Rostock derzeit kaum vorbei. Auch dem Wissen darüber, dass zum Beispiel im Jahr 1967 mit der »Jungen Welt« und der »Jungen Garde« die damals größten Fischereischiffe Deutschlands in See stachen, kann man in diesen Tagen schlechterdings nicht ausweichen. Sie erreichten schon in ihrem ersten Jahr einen Produktionsrekord. Auch dass die Flotte zu Hochzeiten etwa 100 Schiffe umfasste und 8300 Menschen beschäftigte, erfährt man natürlich.

Rostock feiert Hafendoppelgeburtstag. 60 Jahre alt wird der Hafen des früheren Fischkombinates im Stadtteil Marienehe, der seit 20 Jahren als »Fracht- und Fischereihafen« firmiert; 50 Jahre wird der Überseehafen am Südufer des Breitling. Und wenn man so will, kann man jeweils auch die 20 Jahre nach der Wende als kleines Jubiläum feiern, denn sowohl der Übersee- als auch der Fischereihafen konnten sich halbwegs erfolgreich über die Wende vor zwanzig Jahren retten.

Freiwillige Arbeitseinsätze

Im Fischereihafen arbeiten heute laut Mecklenburg-Vorpommerns Verkehrsminister Volker Schlotmann (SPD) wieder 2500 Menschen, die 2009 mit etwa 700 000 Tonnen ein Vielfaches von 1990 über die Kaimauer wuchteten. 160 Betriebe teilen sich heute die 52 Hektar Betriebsfläche, die mehr als zwei Kilometer Kai und 20 Schiffsliegeplätze. Wissenschaftliche und Ausbildungszentren sowie große Kühl- und Silokapazitäten komplettieren die heutige Anlage, die nicht nur Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) eine »Erfolgsgeschichte« nennt. Schon in der DDR war man stolz auf die Rostocker Hochseefischer. Um die 5000 »Ehemalige« werden heute zum großen Wiedersehen und Seemannsgarnspinnen erwartet. Gerade im Süden der früheren DDR gibt es teils seit vielen Jahren regelrechte Traditionsgruppen; von dort waren einst viele junge Leute aus Abenteuerlust zu den Hochseefischern gestoßen.

Aber auch die DDR-Handelsflotte, die seit dem Jahr 1960 vom Rostocker Überseehafen aus in See stach, beschäftigte die Fernwehfantasien in dem kleinen eingeklemmten Land. So wurde 1974 bis 1976 auf dem Rostocker Schiff »J.G. Fichte« die Fernsehserie »Zur See« gedreht, die DDR-Bürger in ferne Länder mitnahm – ohne natürlich die historische Mission aus den Augen zu verlieren.

Aber nicht nur deswegen hat der Überseehafen eine enge Verbindung zur der Stadt, die als »Tor zur Welt« erst durch die deutsche Teilung wieder gefragt war. Dazu, dass gerade ältere Rostocker den Port als »ihren Hafen« ansehen, trugen auch die freiwilligen Arbeitseinsätze bei, die beim Bau der Anlagen geleistet wurden.

Auch der Überseehafen hat seit der Wende sein Gesicht verändert, sich aber erfolgreich positionieren können. Zwar spielen Massenschüttgüter, von denen 1989 gut 20 Millionen Tonnen umgeschlagen wurden, keine so bedeutende Rolle mehr. Dafür sind mit dem modernen Ölhafen und anderen spezialisierten Umschlageinrichtungen, vor allem aber mit dem neuen Fährhafen und den Kreuzfahrern, die in Warnemünde anlegen, neue Geschäftsbereiche geschaffen worden.

Schatten über den Werften

Unsicherer scheint noch immer das andere Standbein der maritimen Wirtschaft in der Hansestadt: die Werften. Doch selbst im schlimmsten Fall wird sich eine gewisse Schiffsbaukompetenz an der Warnow erhalten: Zum Überseehafenjubiläum veröffentlichte die Ostsee-Zeitung eigens eine Faltanleitung für Papierschiffchen. Wer seins zum Hafen bringt und Glück hat, kann sogar eine Kreuzfahrt gewinnen.

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