Öko-Veteranen und ihre Enkel

20 000 Menschen zogen vor das Atomkraftwerk in Biblis

  • Hans-Gerd Öfinger, Biblis
  • Lesedauer: 2 Min.
Große Resonanz auch in Hessen: Höhepunkt des dortigen Protestmarsches war eine Menschenkette rund um das Kraftwerksgelände.

Über dem südhessischen Biblis strahlte an diesem Samstag die warme Frühlingssonne ebenso wie die Gesichter der Demonstranten, die in einem kilometerlangen Demonstrationszug zum ältesten Atomkraftwerk der Republik zogen. Die rund 20 000 Demonstranten ahnten bald, dass sie Teil einer wieder anschwellenden Protestbewegung waren, die so viele Menschen auf die Straße bringt wie seit 20 Jahren nicht mehr.

In Biblis waren alle Altersgruppen vertreten, Öko-Veteranen aus den 1970er Jahren ebenso wie ihre Kinder und Enkel. Viele hatten eigene Schilder und Transparente mit Aufschriften wie »Wer Atom spaltet, spaltet die Gesellschaft« mitgebracht. Höhepunkt der Protestaktion bildete die Umzingelung des Kraftwerksgeländes und das »Die-In«, ein symbolisches Schausterben, zu dem sich die Demonstranten fünf Minuten stumm auf den Boden legten.

Auch SPD, Grüne und LINKE hatten viele Menschen mobilisiert und setzten sich mit ihren Plakaten, Fahnen, symbolischen Müllfässern und Schutzanzügen kameragerecht in Szene. Bei der Abschlusskundgebung vor dem Kraftwerk allerdings kamen keine Parteienvertreter, sondern Sprecher regionaler Umweltgruppen und Bürgerinitiativen zu Wort. So kritisierte der Notfallmediziner Michael Wilk den »faulen Atomkompromiss« der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung. Und Herbert Würth von der Initiative gegen das AKW Neckarwestheim forderte die Zuhörer zu einem »Stehempfang« für den anstehenden Castor-Transport in das niedersächsische Gorleben im kommenden November auf. So entstehe »Druck, an dem keiner vorbeikommt«.

Schlaglicht auf das gesellschaftliche Kräfteverhältnis wirft auch die Tatsache, dass eine von der Atomlobby geförderte Demonstration pro Atomstrom im vergangenen September in Biblis allenfalls 1500 Menschen auf die Straße brachte. Dies waren überwiegend Auszubildende aus Kraftwerken in der ganzen Republik, die auf Arbeitgeberkosten in einer Art Betriebsausflug herangekarrt worden waren. Erhard Renz vom Bündnis AKWende lässt diese »Panikmache« der Atomlobby mit den Arbeitsplätzen als Folge des Atomausstiegs nicht gelten: »Bei erneuerbaren Energien entstehen bundesweit täglich 80 neue Arbeitsplätze.«

Atomkraftgegner aus Rheinland-Pfalz warben in Biblis für eine weitere Demonstranten pro Atomausstieg, die heute durch Koblenz ziehen wird. Da auch hier ein breites Bündnis aufgerufen hat, erwarten die Veranstalter mindestens 2000 Teilnehmer.

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