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Österreichs neuer Präsident ist der alte

Historisch niedrige Beteiligung bei Wahl

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 2 Min.

Am Sonntag wurde der 71-jährige Heinz Fischer von einer Minderheit der Österreicher im Amt des Bundespräsidenten bestätigt. Nicht einmal die Hälfte der Stimmbürger haben von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht.

Kaiserwetter und bereits feststehender Wahlausgang führten zur historisch niedrigsten Wahlbeteiligung bei Präsidentschaftswahlen in Österreich – 49,2 Prozent. Anders als in Deutschland wird in Österreich der höchste politische Repräsentant alle sechs Jahre direkt vom Volk gewählt. Was vordergründig als demokratiepolitischer Vorzug anmuten mag, wurzelt in der autoritären Verfassung von 1929, die nach 1945 wieder in Kraft gesetzt wurde. Mit der damals eingeführten Direktwahl ging eine Ausweitung der Machtbefugnisse des Präsidenten zum Nachteil des Parlaments einher. Der Präsident darf sich seither als Oberbefehlshaber des Heeres gerieren und ist beispielsweise auch befugt, die Bundesregierung zu entlassen. Passiert sind derlei politische Eingriffe in der Zweiten Republik bislang nicht. Heinz Fischer hat seine ersten sechs präsidialen Jahre völlig unauffällig in der Wiener Hofburg verbracht und angekündigt, in diesem Stil fortzufahren.

Von den wenigen, die ihr Stimmrecht nutzten, machten 78,9 Prozent ihr Kreuz hinter dem Namen Fischers, 15,6 Prozent wählten die von der FPÖ nominierte Barbara Rosenkranz, 5,4 Prozent entschieden sich für ein reichlich obskures Angebot des christlichen Fundamentalisten Rudolf Gehring.

Das Ergebnis der aus rechtsradikalem Milieu stammenden Barbara Rosenkranz hat die derzeit erreichbare Obergrenze dieser Strömung an Wählern in Österreich aufgezeigt. Die Weigerung der mitregierenden ÖVP, einen eigenen Kandidaten aufzustellen, weil dieser gegen Fischer keine Chance gehabt hätte, bot Rosenkranz alle Chancen, im bürgerlichen Lager zu wildern. Dass sie diese nicht nutzen konnte und auf eine Kernschicht der FPÖ-Sympathisanten zurückgeworfen wurde, lag einerseits an einem missglückten Wahlkampfauftakt und andererseits an ihrer sperrigen Art. Die Fernsehanstalt ORF und mit ihr die meisten Medien hatten wieder und wieder behauptet, Rosenkranz wäre durch nationalsozialistische Äußerungen aufgefallen. Bezogen hat sich diese Berichterstattung auf einen Vorschlag der Kandidatin, Teile des Verbotsgesetzes – das Leugnung, Verharmlosung oder Rechtfertigung von NS-Verbrechen unter Strafe stellt – abzuschaffen, weil diese nicht mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung vereinbar wären. Die Ironie der Geschichte liegt darin, dass das ungeklärte Verhältnis von Rosenkranz zum Nationalsozialismus sich wie ein brauner Faden durch ihre Umgebung zieht, eine solche Aussage aber nicht dokumentiert ist. Allein das Nachdenken über das Verbotsgesetz als Wiederbetätigung zu interpretieren, war journalistisch unredlich. Und trug doch wesentlich zu ihrer Niederlage bei.

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