Die Tragödie des Mittlers

Friedrich Albrecht über Klaus Mann

  • Horst Haase
  • Lesedauer: 4 Min.

In dem großen Film-Epos von Heinrich Breloer über die Mann-Familie spielt Klaus, der älteste Sohn von Thomas und Katja Mann, eher eine Rolle am Rande; allein sein Selbstmord in Cannes, 1949, prägt sich ein. Und Marcel Reich-Ranicki schrieb gar über ihn: Er war homosexuell. Er war süchtig. Er war der Sohn Thomas Manns. Also war er dreifach geschlagen.

An solchen Positionen ist Friedrich Albrecht nicht orientiert. Im Gegenteil. Ohne Klaus Manns immer latente Gefährdungen aus den Augen zu lassen, entwirft er das Bild eines ebenso hoffnungsvoll wie verzweifelt kämpfenden Schriftstellers, der sich zwar der Krisenhaftigkeit des Weltzustandes stets bewusst war, aber dennoch bis zuletzt der Vision einer humanen und friedlichen Welt anhing und dafür wirkte. Dieses Konzept ist hier wissenschaftlich begründet.

Die einzelnen Texte des Buches fügen sich nicht zu einer Biografie, lassen sie aber deutlich erkennen, verknüpft mit der Analyse der Romane und Erzählungen, Briefe, Tagebücher und Essays. Klaus Mann wird als Mensch mit all seinen Schwächen, als vortrefflicher Prosaist und als politisch Handelnder vorgestellt, wie es in seiner Generation nur wenige gab. Gerade auf diese Vielseitigkeit als hervorragenden Wesenszug seiner Begabung kommt es Friedrich Albrecht an. Wer Klaus Mann als Schriftsteller von bezaubernder Liebenswürdigkeit und als eine generations- und zeittypische Persönlichkeit fern jeglicher Einseitigkeit verstehen will, kann in diesem Buch viel erfahren.

Im Zentrum steht das Thema der Mittlerschaft. Von Jugend an war dieser anziehende, einfühlsame, umgetriebene Autor darauf aus, in widerstreitenden Positionen das ihnen Gemeinsame herauszustellen, um auf guten Wegen voranzukommen. Das charakterisiert schon seine frühen Jahre, wird dann aber vor allem nach 1933 sichtbar, als Klaus Mann – er emigrierte 26-jährig – beharrlich um die Einheit der Antifaschisten ringt. Bezeichnenderweise hieß die Zeitschrift, die er zeitweilig herausgab Die Sammlung, in der bürgerlich-demokratische wie kommunistische Autoren zu Wort kamen. Ebenso typisch jedoch war es, dass dieses wie zahlreiche andere Unternehmen des Mittlers in jenen Jahren an borniert dogmatischen Positionen auf beiden Seiten scheiterte. Das war der Widerspruch, in dem sich Klaus Mann Zeit seines politisch bewussten Lebens befand, dem er zu begegnen suchte, an dem er litt und schließlich starb.

Als Emigrant in den USA suchte er zwischen europäischer Geistigkeit und amerikanischem Demokratismus zu vermitteln. Nach dem zweiten Weltkrieg dann, im Schatten der Atombombe, gab er seine letzten Kräfte, um die besten Geister gegen den kalten Krieg zu mobilisieren. Dabei wurde er selbst unbarmherzig zwischen den Fronten zerrieben, zur Wirkungslosigkeit verurteilt. Der Mittler war am Ende, seine Todessehnsucht siegte. Aber noch der Selbstmord war Protest. Die Tragik dieses kämpferischen aber vergeblichen Strebens nach Verständigung und Einigkeit aller Gutwilligen durchzieht alle Texte des Buches von Friedrich Albrecht. Ein großer Essay aus jüngster Zeit ist ihr speziell gewidmet.

Die meisten dieser Abhandlungen entstanden jedoch als einführende Nachworte zu den Werkausgaben, die im Aufbau-Verlag zu DDR-Zeiten erschienen. Sie sind so auch als interessanter Beitrag zu einer Geschichte der Verlags- und Kulturpolitik in jenen Jahren zu lesen. War doch dieser politisch auf Versöhnung aller Demokraten bedachte und in seinem Lebensstil höchst libertine Autor manch strengen Wächtern über Politik und Moral ein Dorn im Auge. Auch der Sohn-Vater-Bezug war manchmal eher hinderlich statt fördernd: sollte dieser gedruckt werden, wenn jener noch mit der Lizenzvergabe zögerte?

Dem Nachwortverfasser oblag es, klarzustellen, dass dieser Autor ein unabdingbarer und wertvoller Bestandteil jenes Literaturerbes war, das in der politischen und kulturellen Programmatik des Staates DDR einen erstrangigen Platz einnahm. Friedrich Albrecht unterzog sich dem mit großer Sympathie für seinen Gegenstand. Und mit wissenschaftlicher Akribie und Konsequenz, die selbstverständlich auch kritische Maßstäbe einschließen. Dass auch dem Literaturwissenschaftler dabei bestimmte Grenzen gezogen waren, die sich nach und nach und besonders ab 1989/90 verschoben, leugnet der Verfasser nicht; das machen die Arbeiten in ihrer chronologischen Abfolge auch offenkundig. Besonders in der voluminösen Einleitung sind diese Probleme explizit ausgeführt. Sie liefert zugleich einen Abriss der Wissenschaftler-Biografie des Verfassers, die ebenso interessant wie in mancher Hinsicht repräsentativ ist. Seine persönlichen Begegnungen mit dem Klaus-Mann-Intimus Fritz H. Landshoff und mit den französischen Erforschern dieses Schriftstellers spielen dabei eine nicht geringe Rolle.

Als exzellenter Kenner der Literaturepoche jedenfalls, der auch Klaus Mann angehörte, vermag Friedrich Albrecht dessen konfliktvolles Vermächtnis überzeugend herauszuarbeiten. Darin vor allem liegt der Wert dieses Buches.

Friedrich Albrecht: Klaus Mann der Mittler. Studien aus vier Jahrzehnten. Verlag Peter Lang. 342 S., brosch., 59,90 €.

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