Liberale zieht's zu Gauck

Teile der FDP liebäugeln mit einer Wahl des rot-grünen Bundespräsidenten-Kandidaten

  • Lesedauer: 3 Min.
Für Schwarz-Gelb und Kanzlerin Angela Merkel ist es eine unangenehme Situation: Joachim Gauck gilt vielen selbst in den eigenen Reihen als der bessere Kandidat für das Bundespräsidentenamt.

Berlin (dpa/ND). Mehrere Politiker aus dem Lager von Union und FDP haben eine Unterstützung des Oppositionskandidaten für das Bundespräsidentenamt, Joachim Gauck, in Aussicht gestellt. Der sächsische FDP-Chef Holger Zastrow sagte, es gebe nicht zuletzt wegen der großen Anerkennung für den DDR-Bürgerrechtler Gauck keinen Freibrief für den Kandidaten der schwarz-gelben Koalition, Niedersachsens Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU).

Besonders die Liberalen in Ostdeutschland hadern mit der Entscheidung für Wulff und bekunden ihre Sympathien für den Kandidaten von SPD und Grünen. »Joachim Gauck ist ein Vertreter der ostdeutschen Seele. Darüber muss man schon nachdenken«, sagte Zastrow. Die FDP in Sachsen wird in der kommenden Woche entscheiden, wie sie am 30. Juni in der Bundesversammlung abstimmt.

Die FDP in Thüringen hat dies nach den Worten ihres Generalsekretärs Patrick Kurth ebenfalls noch nicht geklärt. »Die Parteiführung muss deutlich machen, welche strategischen Vorteile die Kür Wulffs für uns bringt«, sagte Kurth dem »Spiegel«.

Sympathien für den von SPD und Grünen vorgeschlagenen früheren Chef der Stasi-Unterlagenbehörde Gauck (parteilos) äußerte auch der ehemalige brandenburgische CDU-Vorsitzende Jörg Schönbohm. »Ich frage mich, warum es nicht möglich war, sich im bürgerlichen Lager mit der SPD auf Gauck zu einigen«, sagte Schönbohm. Der Generalsekretär der CDU Brandenburg, Dieter Dombrowski, ließ dagegen keine Zweifel an der Unterstützung Wulffs bei der Wahl .

Wie die Liberalen in Sachsen ging auch der FDP-Fraktionschef im Landtag von Sachsen-Anhalt, Veit Wolpert, auf Distanz zu Wulff. »Wir werden in der Fraktion darüber zu sprechen haben, ob wir trotz Bedenken mit Herrn Wulff leben können«, sagte Wolpert. Er sprach von einer großen Verärgerung darüber, dass die Länder von FDP-Parteichef Guido Westerwelle nicht in die Entscheidungsfindung einbezogen wurden. Auch von den Liberalen in Bayern und Baden-Württemberg gab es Kritik an Wulffs Kandidatur. Die FDP-Landesverbände Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sprachen sich dagegen eindeutig für Wulff aus. SPD und Grüne rechnen nach eigenen Angaben bei der geheimen Abstimmung mit Abweichlern innerhalb der schwarz-gelben Koalition.

Die LINKE, die bisher eine Wahl Gaucks ablehnte, wird nach Ansicht ihres stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch möglicherweise auf die Nominierung eines eigenen Kandidaten verzichten. »Wir müssen alle Optionen sehr ernsthaft prüfen«, sagte Bartsch. Er plädiere »für ein geschlossenes Agieren aller 125 Wahlfrauen und -männer der Linkspartei«. Der Fraktionschef der LINKEN im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow, erklärte gegenüber dem »Tagesspiegel«: »Wenn Herr Wulff in den beiden ersten Wahlgängen keine Mehrheit bekommt, behalte ich mir vor, was ich im dritten Wahlgang mache.« Gauck sei jedoch bisher lediglich als Aufklärer und nicht als Versöhner hervorgetreten, so Ramelow.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal