In Musina blüht die illegale Wirtschaft

Südafrika spielt eine wichtige Rolle für die Entwicklung in Simbabwe

  • Armin Osmanovic
  • Lesedauer: 6 Min.
Südafrika fiebert der Fußballweltmeisterschaft entgegen. Im nördlichen Nachbarland Simbabwe ist die WM kaum ein Thema. Nicht, dass die Menschen die Spiele nicht verfolgen werden, das tägliche Leben aber kostet so viel Kraft, dass für WM-Begeisterung nicht viel an Energie übrig bleibt.
Warten in Musina
Warten in Musina

Hoffnung hatten die Simbabwer mit der im Januar 2009 gebildeten Koalitionsregierung aus ZANU-PF und MDC verbunden. Tatsächlich ging mit ihr die Gewalt zurück. Zudem konnte mit der Einführung des US-Dollars als Zahlungsmittel die Hyperinflation gestoppt werden. Zuvor erhielt man in den Läden oft wochenlang keine Milch, Butter oder andere Nahrungsmittel. Jetzt kann man in der Hauptstadt Harare wieder regelmäßiger auf Waren hoffen.

Im ganzen Land fehlen Arbeitsplätze

Arbeit, die ein ausreichendes Einkommen sichert, ist aber weiterhin rar. Über 75 Prozent der Simbabwer sind arbeitslos. Letztes Jahr soll die Wirtschaft um vier Prozent gewachsen sein. Dies ist viel zu wenig, um die wirtschaftliche und soziale Misere schnell zu beenden. Aber wer soll im Land investieren? Mehr Arbeit bieten die internationalen Hilfsorganisationen, die mit der Beruhigung der politischen Auseinandersetzungen wieder ins Land kommen. Die Industrie jedoch, ehemals nach Südafrika die Nummer zwei in Afrika, schafft weiterhin keine neuen Arbeitsplätze. Die Textilwirtschaft etwa, einst eine wichtige Branche, ist in den Chaosjahren im internationalen Vergleich weit zurückgefallen.

Investiert wird auch deshalb nur schleppend, weil es nicht selten zur Unterbrechung der Energieversorgung kommt. Und ohne Energie funktioniert auch die Wasserversorgung nur dann, wenn man für den Generator ausreichend Diesel hat, damit die Pumpen in Betrieb bleiben. Während der WM in Südafrika könnte es vermehrt zu Stromunterbrechungen kommen, da man eine Kraftwerkskapazität von 300 Megawatt für Südafrika bereitstellen will, um die erhöhte Nachfrage dort zu bedienen und dringend benötigte Devisen zu erwirtschaften. Auch auf das Telefon kann man sich nicht verlassen, es kann tagelang ausfallen.

Investitionen von In- oder Ausländern werden aber nicht nur wegen dieser Infrastrukturmängel erschwert, auch die Politik bleibt weiter unberechenbar. Die beiden politischen Lager, ZANU-PF mit Staatspräsident Robert Mugabe an der Spitze und die Oppositionspartei MDC von Premierminister Morgan Tsvangirai, blockieren sich und die Entwicklung des Landes. Ungelöst ist der Verfassungsprozess, vor allem die Machtverteilung zwischen Zentralregierung, Provinzen und Gemeinden, aber auch die Landfrage und die Unabhängigkeit von Medien und Wahlkommission sind umstritten. Ohne Lösung dieser Fragen wird es keine Wahlen im nächsten Jahr geben. Sie sind aber Voraussetzung, um endlich klare Machtverhältnisse zu schaffen. Eine Überwindung der politischen Paralyse ist die Voraussetzung für die Schaffung von Arbeit und Einkommen im verarmten Simbabwe.

Streit in der Koalitionsregierung

Nach Wunsch des Präsidenten sollten Simbabwer mehrheitlich die Unternehmen kontrollieren. Die MDC lehnt dieses Vorhaben ab, hofft sie doch vor allem auf eine Rückkehr ausländischer Investoren, um die Wirtschaft des Landes wiederzubeleben. Da Mugabe auf die Umsetzung des im alten Kabinett beschlossenen Gesetzes besteht, heißt es nun einfach zur Gesichtswahrung, dass es sich bei der Nationalisierung um ein langfristiges Ziel handle. Weil die ZANU-PF keine Mehrheit im Parlament hat, hängt das Vorhaben in der Luft.

Zum Streit in der Koalitionsregierung kommt es auch in Personalfragen. Vor allem am Chef der Zentralbank, Gideon Gono, der seit 2003 das Finanzinstitut leitet, scheiden sich die Geister. Gono fungiere nicht als Zentralbankchef des Landes, sondern der ZANU-PF, so die Kritik. Geld der Zentralbank werde an die Partei weitergeleitet, um deren Klientelwirtschaft aufrechtzuerhalten. Deshalb besteht die MDC auf seine Ablösung. Daneben, so kann man lesen, stütze sich Mugabes Machtmaschinerie auf den Verkauf von Diamanten, vor allem nach Dubai.

Die Lähmung des Landes sei im Interesse der ZANU-PF, meint Timothy Kondo, Programmkoordinator der Organisation ANSA (Alternatives to Neo-Liberalism in Southern Africa). Zwar könne die MDC nicht mehr sicher sein, dass sie die Wahlen gewinnt, denn dafür habe Tsvangirai die Hoffnungen der Menschen auf einen schnellen Wandel ihrer Lebensverhältnisse enttäuscht. Andererseits seien viele in der ZANU-PF mit dem Status quo zufrieden, wird ihr politischer und wirtschaftlicher Einfluss durch die Koalitionsregierung doch kaum angetastet. Der Auftritt des Präsidenten der südafrikanischen ANC-Jugendliga, Julius Malema, schmeckte denn auch nicht allen in der ZANU-PF. Mit seinen Äußerungen zur Landfrage und der Herabwürdigung der MDC als Mickey-Maus-Partei habe er in den Augen der ZANU-PF unnötig für Unruhe gesorgt, sagt Kondo.

Südafrika kommt bei der Überwindung der politischen Blockade Simbabwes eine entscheidende Rolle zu. Präsident Zuma hat sich von der leisen Diplomatie seines Vorgängers Mbeki verabschiedet. Im März hat er in Harare die Koalitionspartner zurück an den Tisch gebracht. Timothy Kondo glaubt zu erkennen, dass Zuma nun stärker auf Tsvangirai setzt. In der SADC (Southern African Development Community) wachse die Unterstützung für die einstige Opposition Simbabwes. Neben Botswana, das traditionell zur MDC steht und vor klaren Worten an Mugabe nicht zurückschreckt, sei nun auch bei Kongos Joseph Kabila und bei Armando Guebuza aus Mosambik die Bereitschaft zu erkennen, Tsvangirai stärker zu unterstützen.

Dass Zuma mehr Verantwortung für Simbabwe übernehmen wird, dafür spricht die angespannte Lage zwischen den einheimischen Südafrikanern und den vielen Zuwanderern im WM-Land. Für die Misere, vor allem die Arbeitslosigkeit, werden von vielen die Ausländer verantwortlich gemacht. 1,5 Millionen Simbabwer sollen inzwischen in Südafrika zu Hause sein. Auch bei einem Treffen in Johannesburg, an dem Nelson Mandela, Kofi Annan und Jimmy Carter teilnahmen, wurde vor fremdenfeindlichen Ausbrüchen nach der WM gewarnt.

An der Grenze zu Simbabwe kann man die Probleme beobachten, die Südafrika zur Einmischung zwingen. Die Einwohnerzahl der Grenzstadt Musina, 520 Kilometer nördlich von Johannesburg, wächst seit geraumer Zeit jährlich um durchschnittlich 50 Prozent. Ein Drittel der Einwohner Musinas sind heute Simbabwer. Pro Tag kommen nach einem Bericht der UN ca. 300 Menschen über die bewachte und mit einem Elektrozaun ausgestattete Grenze. Arbeit gibt es in Musina in der Diamantenmine »Venetia« von De Beers, in der Landwirtschaft auf den Farmen, die meist weiterhin in weißer Hand sind, aber vor allem im Handel.

Waren aller Art, die es so oder so billig nicht in Simbabwe zu kaufen gibt, werden auf die Autos und Anhänger gepackt. Zucker, Öl, Waschmittel, Decken, aber auch Kühlschränke, Herde und andere elektrische Geräte landen auf den alten und quietschenden Karren, werden dort abenteuerlich zu großen Bündeln verschnürt und über die Grenze kutschiert – wenn sie nicht durch die südafrikanische Polizei, die überall lauert, wegen Verkehrsgefährdung zur Zwangspause verdonnert werden. Nicht selten geben die alten Kisten einfach den Geist auf. Dann sitzt die ganze Familie, vom Baby bis zum Greis, am Straßenrand in der Sonne und wartet bis Hilfe kommt.

Kampf gegen die Guma-Gumas

Musinas illegale Wirtschaft blüht. Neben dem Schmuggel von Zigaretten werden auch Güter des täglichen Bedarfs wie Öl und Zucker heimlich über die Grenze gebracht. Die Prostitution ist nicht zu übersehen. Viele der Lastwagenfahrer, die hier an der Grenze warten müssen, sind gute Kunden der sehr jungen Mädchen. Nicht weit vom Parkplatz, auf dem die Prostituierten zwischen den Trucks verhandeln, stehen Zelte auf einer Verkehrsinsel. Hier kann sich jeder, der will, kostenlos einem HIV-Test unterziehen. An diesem Spätnachmittag hockt das Testpersonal gelangweilt vor leeren Zelten.

Die größte Sorge der südafrikanischen Offiziellen sind aber die Guma-Gumas. Zur Bekämpfung dieser südafrikanischen Banden, deren Name soviel bedeutet wie »Wir kriegen es«, hat die Regierung Soldaten entsandt. Die Guma-Gumas kassieren mit Gewalt alles, was irgendwie wertvoll ist, bei den Menschen ein, die illegal die Grenze übertreten. Häufig werden Frauen, die sie aufgreifen, vergewaltigt. Eine Station der Organisation »Ärzte ohne Grenzen« kümmert sich um sie, so gut es geht. Die Soldaten in Musina, die im Stadtbild präsent sind, haben die Lage bislang kaum verbessert. Dieses Leben an der Grenze zeigt, Südafrika kann sich gegenüber dem Elend in Simbabwe nicht abschotten, auch nicht mit Elektrozaun und Militär.

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