Zynismus als Konzept

Bundesregierung streicht rigoros bei den Sozialleistungen

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Krisenpaket der Bundesregierung entpuppt sich bei näherem Hinschauen als Erziehungsmaßnahme für Arbeitslose. Sie sollen bis 2014 mit ungefähr 30 Milliarden Euro bluten, die Unternehmen mit knapp 20 Milliarden. Dagegen regt sich Protest – nicht nur aus den Reihen der Betroffenen.
Das Sparpaket hat vor allem an Arbeitslose ausgeteilt. ND-
Das Sparpaket hat vor allem an Arbeitslose ausgeteilt. ND-

Das, was die Bundesregierung Sparpaket nennt, bürdet vor allem Arbeitslosen finanzielle Lasten auf. Unter der Überschrift »Neujustierung von Sozialgesetzen« werden Einsparungen für die nächsten vier Jahre aufgelistet, die insgesamt ein Plus von 30 Milliarden Euro bringen sollen, ein hübsches Sümmchen – zusammengespart u. a. von ca. 6,5 Millionen Hartz-IV-Beziehern, für die ein Regelsatz von 323 Euro für Erwachsene und 215 Euro für das erste Kind zur Verfügung stehen.

Aus Pflichtleistungen werden Ermessensleistungen. Aus Eingliederungshilfen für Jobsuchende, die bisher eine Pflicht waren, werden Ermessensleistungen des Arbeitsberaters. Das soll den Anreiz zur Annahme einer Arbeit erhöhen. Die Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit sollen dadurch um 1,5 bis 3 Milliarden Euro gedrückt werden.

Abschaffung von Zuschlägen. Wer arbeitslos ist und keinen neuen Job findet, solange er Arbeitslosengeld I auf der Grundlage seines letzten Verdienstes bezieht, kann für einen Zeitraum von zwei Jahren finanzielle Übergangsleistungen beziehen, die nach einem Jahr halbiert werden. Bisher erhalten Alleinstehende im ersten Jahr bis zu 160 Euro im Monat, Verheiratete bis zu 320 Euro, im zweiten Jahr halbieren sich die Beträge. Die Notwendigkeit dieses Zuschlags sei überholt, heißt es in dem Papier.

Kein Zuschuss mehr für die Rentenversicherung. Für Bezieher von Arbeitslosengeld II werden bisher 40 Euro im Monat als Rentenbeitrag gezahlt, womit ein Rentenanspruch von 2,09 Euro erworben wird. Die Streichung spart ca. 7 Milliarden Euro. Abgesehen davon, dass hier Menschen von der Rente genommen wird, die ohnehin eine schlechte Altersversorgung haben, entlaste sich der Bund auf Kosten der Kommunen, urteilt der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Stephan Articus, in der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. So würden Hartz-IV-Bezieher, die keine vom Bund finanzierten Beiträge zur Rentenversicherung mehr erhalten, später durch die Grundsicherung für Ältere unterstützt. Deren Kosten stiegen aber ohnehin schon stark an. Der nordrhein-westfälische Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, man werde darauf achten, dass hier nicht ein gigantischer Verschiebebahnhof zu Ungunsten der Rentenversicherung und der Länder und Kommunen stattfinde. Es gehe aber nicht nur um Geld, sagt der Referent für Sozialpolitik des Bundesverbandes der Volkssolidarität, Dr. Alfred Spieler, angesichts dieses sozialen Kahlschlags. Man signalisiere damit auch, dass es sich bei den Betroffenen um Teile der Bevölkerung handelt, die man nicht braucht. Das finde er zynisch.

Elterngeld. Bezieher von Arbeitslosengeld II erhalten bislang bis 300 Euro Elterngeld für maximal 14 Monate. Der Regelsatz sichere ihren Grundbedarf, meint die Bundesregierung. Das Elterngeld verringere den Lohnabstand. Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, hat genau gegen diese Streichung kirchlichen Widerstand gefordert. Sie hätte sich gefragt, ob Hartz-IV-Empfänger weniger Würde als andere Menschen haben, sagte die ehemalige Landesbischöfin am Montagabend im Martin-Luther-Forum in Gladbeck. Die Kirche dürfe politisch sein und müsse nun ihr Wächteramt wahrnehmen.

Heizkostenzuschuss. 20 bis 30 Euro im Monat sollen für diejenigen Menschen gestrichen werden, die Wohngeld bekommen, weil sie ihre vier Wände nicht aus eigenem Einkommen finanzieren können.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal