Die Welt mit Liebe heilen

My Name is Khan - von Karan Johar

  • Lilian-Astrid Geese
  • Lesedauer: 3 Min.
Shah Rukh Khan als Rizvan Khan
Shah Rukh Khan als Rizvan Khan

Wie nah die Realität manchmal der Fiktion ist, erlebte der indische Filmstar Sha Rukh Khan im vergangenen Sommer in den USA, als er stundenlang am Flughafen Newark festgehalten und verhört wurde. Sein Name tauchte in einer Liste von Verdächtigen auf, und die Beteuerung, er sei ein weltberühmter Schauspieler, nützte ihm wenig. Khan war zu Dreharbeiten in den USA für die bei der Berlinale im Februar präsentierte Produktion »My Name is Khan«.

Der Film ist ein schönes, berührendes, Hoffnung machendes, kluges, romantisches, melancholisches Märchen mit traurigem Thema und optimistischem Ende. Der junge indische Muslim Rizwan Khan, gespielt von Shah Rukh Khan, folgt nach dem Tod der Mutter seinem jüngeren und als Unternehmer erfolgreichen, in Kalifornien lebenden Bruder Zakir (Jimmy Shergill) in die USA. Mehr aus Pflichtgefühl, denn aus Liebe nimmt Zakir den unter dem Asperger-Syndrom leidenden scheinbar naiven Neuankömmling unter seine Fittiche. Doch so hilflos, wie Khan sich gibt, ist er nicht. Er verliebt sich in die schöne Hindu Mandira (Kajol), die ihren Sohn Sameer (Yuvaan Makaar) allein erzieht. Für Khan ist es Liebe auf den ersten Blick. Mandira hingegen will erst in eine Beziehung mit dem seltsamen und schüchternen Mann einwilligen, wenn dieser ihr etwas zeigt, was sie in San Francisco noch nie gesehen hat. Ein traumhafter Sonnenaufgang und die Skyline der Stadt im Morgennebel sind der Beginn einer Liebe, die ewig dauern könnte – wären da nicht die Attentate vom 11. September 2001. Nicht nur die Muslime in den USA werden über Nacht zu »feindlichen Kombattanten«, sondern jeder, der »muslimisch aussieht« oder einen »muslimischen Namen« trägt, wie tragischerweise auch Mandiras Sohn Sam, dem der angenommene Nachname seines Stiefvaters, Khan, zum Verhängnis wird. Freundschaften zerbrechen, Liebe welkt, Menschen verzweifeln und sterben.

Es ist der Blick auf den banalen Alltag, das Leben, das jede und jeder von uns führen könnte, die einem den Film sehr nah bringen. Nach Sams Tod versucht Rizwan Khan die Liebe seiner Frau (zurück) zu gewinnen. Dieses Mal stellt er sich selbst die Bedingung: Er darf erst wieder in ihrer Nähe sein, wenn er dem amerikanischen Präsidenten eine wichtige Botschaft überbracht hat: »Mein Name ist Khan. Ich bin kein Terrorist.«

Erbärmlich die Welt, in der das explizit gesagt werden muss. Schön die Welt, in der eine gesellschaftliche Gruppe begreift, dass der Versuch, sich angesichts des zunehmenden Rassismus zu verstecken, keine Lösung ist. Selbstbewusstsein zeigen, nicht wegducken, ist die Botschaft, die das filmische Epos transportiert.

»My Name is Khan« ist ein bewegender Film. Wenngleich es gewiss auch möglich gewesen wäre, die Geschichte zweier Brüder in einer ungerechten Welt zu erzählen, ohne dass einer von beiden am Asperger-Syndrom, einer moderaten Form des Autismus, leidet. Hätte das Männerbild des Regisseurs, Drehbuchautors und Produzenten Karan Yohar die »ganz normale Naivität« eines jungen indischen Immigranten in Amerika nicht ertragen? Traut man es dem Publikum nicht zu, zu erkennen, wer Opfer und wer Täter ist? Oder ist der Déjà-vu-Effekt beabsichtigt? Khans Mission, seine lange Reise durch Amerika, erinnert frappierend an Robert Zemeckis »Forrest Gump«, und dessen Geschichte wurde 1994 mit Tom Hanks in der Titelrolle zum Kassenschlager.

Andererseits übersetzt diese Bollywood-in-Hollywood-Produktion die Filmsprache des indischen Kinos in ein dezidiert westliches Genre. So entsteht eine Spannung, die in der Beschränkung auf die eine oder andere kinematografische Tradition allein nicht möglich gewesen wäre. »My Name is Khan« ist unbedingt sehenswert. Der Film greift ein kritisches Thema auf und macht tatsächlich, wenn auch rosig verklärt, Hoffnung darauf, dass ein Zusammenleben und Respekt für die Kulturen der anderen möglich sind, wenn man denn will.

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