Tanz um die Nährwert-Ampel

Lebensmittelbranche bevorzugt »objektive Information« auf ihren Produkten

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
In der nächsten Woche wird sich das Europäische Parlament (EP) mit einem Verordnungsvorschlag zur Nährwertkennzeichnung beschäftigen. Aus diesem Anlass brachten die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) – Spitzenverband der Lebensmittelwirtschaft – gestern in Berlin noch einmal ihre Position zu Gehör.

Die umstrittene Ampel soll es auf keinen Fall sein, was die Hersteller in Zukunft auf ihre Verpackungen drucken wollen. Dabei wird ein hoher, mittlerer oder geringer Anteil an verschiedenen Fetten, Zucker und Salz in Rot, Gelb und Grün gekennzeichnet. Die größte Angst der Produzenten: Lebensmittel könnten in gute und schlechte Produkte aufgeteilt werden. Die Ampel sei falsch, weil wissenschaftliche Werte für die Grenzen zwischen den Farben fehlten, sie sei zu einfach und es handle populistisch, wer sich auf sie berufe. Auch in Großbritannien, wo nur 20 Prozent der Produkte damit versehen worden seien, sei man wieder von der Ampel abgekommen. Im Übrigen habe sie dort das Verbraucherverhalten nicht verändert.

Geworben wurde hingegen für eine einheitliche europäische Regelung zugunsten der sogenannten »Big 8«, der Nennung des Energiegehalts sowie sieben wichtiger Nährstoffe, neben Eiweiß, Kohlehydraten und Fett, auch Zucker, gesättigte Fettsäuren, Ballaststoffe und Natrium. Neben diesen sollte auch die Information über den Anteil einer Portion am empfohlenen täglichen Verbrauch (Guideline Daily Amount – GDA) in Kalorien auf der Vorderseite der Verpackung aufgedruckt werden. Die Portionsgröße und GDA-Angaben zu den einzelnen Nährstoffen sollten optional möglich sein.

Nun lässt sich trefflich darüber streiten, ob Industriezucker überhaupt als fester Bestandteil der täglichen Ernährung zu empfehlen ist und wie dieser zu unterscheiden wäre von eventuell enthaltenen anderen Zuckerarten wie Fructose. Auch das Verständnis der Verbraucher für diese Angaben ist je nach Umfrage unterschiedlich hoch. Die Zwickmühle für die Lebensmittelbranche wird nicht nur hier deutlich. So forderte BLL-Hauptgeschäftsführer Matthias Horst einen Nutzen für die Verbraucher, der aber auch für die Industrie »machbar sein müsse«. In diesem Zuge wurde im EU-Verordungsvorschlag bereits eine Mindestschriftgröße von drei Millimetern abgelehnt. Dafür plant man allgemeine Lesbarkeitsanforderungen. Im BLL-Positionspapier heißt es dann deutlicher, dass Raum für Markenauftritt und Werbung für die Verbraucher wichtig und für die Unternehmen unverzichtbar seien. Horst schränkte auch ein, dass für eine gesunde Ernährung die kleinen Tabellen nur ein Hilfsmittel sein könnten. Zudem, so ergänzt der NGG-Vorsitzende Franz-Josef Möllenberg, seien ja auch Bewegung und die Vermeidung von Adipositas entscheidende Faktoren für eine gesunde Lebensweise.

Nun sind zwar einerseits 27 europäische Landwirtschafts- bzw.. Verbraucherminister gegen die Ampel, allerdings scheinen sich die Branchenvertreter der Abstimmung im Europäischen Parlament nicht so sicher. »Es steht auf Messers Schneide«, so NNG-Chef Möllenberg. Allerdings sind nach der EP-Abstimmung in der nächsten Woche noch einige Hürden für die neue Verordnung zu nehmen. Nach dem jetzigen Zeitplan wird sie frühestens Mitte 2011 endgültig verabschiedet.

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