Sternchen mit Cardin

Hören und sehen: In einer Ausstellung werden Rundfunkgeräte aus Weißensee gezeigt

  • Andreas Heinz
  • Lesedauer: 3 Min.
Fernsehgeräte aus der Stern-Produktion
Fernsehgeräte aus der Stern-Produktion

Kolibri, Dompfaff und Zaunkönig sind an ihre Geburtsstätte in Weißensee zurückgekehrt. Die kleinen Kerle waren die ersten Rundfunkgeräte, die nach Gründung des VEB Stern-Radio 1951 in der heutigen Liebermannstraße produziert wurden. Sie gehören zu den rund 250 Rundfunkempfängern, Fernsehapparaten, Radiorekordern und Plattenspielern, die noch bis zum 20. Juni zu bestaunen und natürlich auch zu hören sind.

»Die Rundfunkempfänger wurden originalgetreu restauriert«, erzählt Bodo Klose von der 1991 geschaffenen Stern-Radio Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft für Arbeitnehmer mbH. Bis zur Liquidierung des Unternehmens 1991 durch die Treuhand war Klose beim Kombinat Stern-Radio zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Gegründet wurde der Betrieb schon 1947 ebenfalls von einer Treuhandgesellschaft, der »Phonetika«. Vier Jahre später entstand der VEB Stern-Radio.

Klose nimmt den Kolibri in die Hand. »Heben Sie mal«, meint er. »Diese Radios waren durch die Röhren und den Transformator kleine Schwergewichte.« Die Gehäuse wurden von einem Tischler aus massivem Holz handgefertigt, bei der Produktion entstandene kleine Schrammen von Möbelpolierern mit einem Gemisch aus Schellack, Kolophonium und Spiritus entfernt. Später, als Holz vor allem für die Herstellung von Möbeln gebraucht wurde, kamen die ersten Geräte mit Bakelitgehäuse auf den Markt. Der Zaunkönig beispielsweise war für 145,50 Mark zu haben. Größere Geräte, auch schon mit »magischem Auge«, hießen Bernau mit Kurzwellen-Lupe, Potsdam, Grünau oder Weißensee. 1957 kostete das Gerät 1100 Mark. Die Modelle Potsdam und Berolina erschienen später auch mit verändertem Gesicht, das ihnen 1959 Studenten der Kunsthochschule Weißensee verpasst hatten. Heute noch optische Schmuckstücke. Schatulle hießen die Radiogeräte mit integriertem Plattenspieler.

Revolutionär dann das Jahr 1959, als durch die Transistortechnik Miniradios gebaut werden konnten. Mikki oder Sternchen zum Beispiel. Bodo Klose deutet auf ein elegantes Kleingerät. »Etwas ganz Ausgefallenes war das Modell Stern-Club mit eingebauter Uhr«, erzählt er. »Das Vorbild hatte ein Mitarbeiter eines DDR-Ministeriums in Paris gesehen – eine Schminkdose von Cardin.« Der Botschaftsangehörige kam mit der Idee nach Weißensee, die Urform in einen Miniatur-Rundfunkempfänger umzuwandeln – quasi ein Sternchen mit Cardin für die Damenhandtasche. Schwierig war nur, solch kleine Pappmembranen zu produzieren, die auch gut klangen. Ein findiger Kopf kam darauf, diese Membranen in einer Fabrik bauen zu lassen, die Marmeladeeimer aus Pappe herstellte.

Ein Renner wurde das Kofferradio Stern Sensomat. »Das Gerät hatte für jeden UKW-Sender eine Sensortaste«, erinnert sich Klose. »Diese Apparate wurden Ende der 1960er Jahre meist an Neckermann verkauft.«

Radio-Ausstellung Liebermannstr. 75, Weißensee, bis 30. 6, Mo.-Fr. 10-18 Uhr, Sa. und So. 10-14 Uhr

Kofferradios und
Kofferradios und
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