Drahtseilakt

Standpunkt von Wolfgang Hübner

Gemessen am monatelangen Eiertanz um die Machtkonstellation in Nordrhein-Westfalen ging gestern alles erstaunlich glatt: Zweimal bekam Hannelore Kraft bei der Wahl zur Ministerpräsidentin die volle Stimmenzahl von Rot-Grün, und die LINKE spielte mit. Keine Intrige, keine Abweichler.

Damit ist – zumindest vorerst – eine Politakrobatik gelungen, die vor allem SPD und Grünen höchste Gelenkigkeit abverlangte. Man hat die hessische Lektion gelernt. Doch leichter wird es nun nicht. Krafts Hoffnung auf »gute Kompromisse« nach allen Seiten ist Augenwischerei. Denn CDU und FDP haben derzeit nicht das geringste Interesse an einem Entgegenkommen. Im Gegenteil, schon aus bundespolitischer Sicht wollen sie, dass der rot-grüne Minderheitsversuch scheitert. Und zwar so scheitert, dass bald wieder eine schwarz-gelbe Mehrheit folgt.

Die LINKE wird in jedem Fall neu abzuwägen haben, wie weit Kompromisse gehen dürfen und wie hoch der Preis einer Verweigerung gegen Rot-Grün wäre. Auch das: ein Drahtseilakt, zumal für Parlamentsneulinge. Hannelore Kraft muss, wenn sie das Projekt Minderheitsregierung als politische Chance und nicht nur als Sprungbrett für den nächsten Wahlkampf versteht, der LINKEN entgegenkommen. Deren Unterstützung braucht sie, nicht nur bei der gestrigen Wahl. Insofern hätte am Ende ihres Amtseides die Formel »So wahr mir die LINKE helfe« besser gepasst. Denn Gottes Stimme zählt nicht im Plenarsaal.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal