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Medienhype um den Dalai Lama

  • Jörg Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Fragt man danach, was denn ein Gottesstaat sei und ob es heute so etwas noch gebe, dann wird zwar Iran genannt, aber das alte Tibet des Dalai Lama wird vergessen. Tibet ist in vielen deutschen Medien eine Region mit ganz vielen lieben Menschen. Wenn es um Tibet geht, dann hört auf einmal alle westliche Vernunft auf. Esoterik, Räucherstäbchenkult, Eine-Welt-Läden, indischer Wickelrock, Antje Vollmer und Otto Graf Lambsdorff gehen eine seltsame Mesalliance ein. Gewählte Demokraten wärmen sich am göttlichen Schein eines Nicht-Gewählten, auf dass auch auf sie ein wenig Licht herab falle!

Kürzlich feierte »Seine Heiligkeit«, der 14. Dalai Lama, seinen 75. Geburtstag. Erneut gab es um ihn einen kleinen Medienhype und pünktlich zum Geburtstag spuckte der Buchmarkt wieder ein neues Buch von ihm aus. Schon im Juli 2009 hatte »Bild« getitelt: »Mit BILD ein unvergessliches Erlebnis gewinnen. Für viele ist es ein Lebenstraum: Einmal dem Dalai Lama persönlich begegnen, ihm in die Augen blicken, seine magische Aura ganz nah spüren. Für einen BILD-Leser wird der Traum wahr! Er/Sie darf das geistliche Oberhaupt des Buddhismus am Airport begrüßen!«

Die mediale Vermarktung des Dalai Lama kennt keine Grenzen: Über ihn bietet Amazon gegenwärtig 728 deutsch- und 908 englisch-sprachige Buchtitel an, 13 200 Videos sind bei Youtube und fast acht Millionen Einträge bei Google zu finden. Besonders einseitig war die Berichterstattung der Medien über den Dalai Lama und Tibet während der Unruhen in Lhasa im März 2008. Hatten die Auseinandersetzungen mit einem Gewaltausbruch von Tibetern gegen Chinesen begonnen, so konzentrierten sich die hiesigen Medien trotzdem auf Einsätze chinesischer Knüppelpolizisten.

Allerdings illustrierten sie sie mit falschen Bildern: Die TV-Sender RTL, n-tv, Deutsche Welle und die Zeitungen »Berliner Morgenpost«, »Bild« und die Zeitschrift »Stern« hatten Fotos von nepalesischen Polizisten aus Kathmandu gezeigt, die bei ganz anderen Anlässen Demonstranten niederknüppelten. Einen Höhepunkt unseriöser Berichterstattung lieferte die »Frankfurter Rundschau«: Unter dem Foto eines von einem Militärstiefel blutig getretenen Kopfes eines tibetisch aussehenden Mannes hieß es zwar, dass dieses Bild von Schauspielern gestellt sei, aber so oder ähnlich müsse man sich die Realität in Tibet vorstellen.

Der Medienhype um den Dalai Lama und Tibet ignoriert dabei geflissentlich folgende Tatsachen. Erstens: Wie besonders Colin Goldner in seinem Buch »Dalai Lama. Fall eines Gottkönigs« gut nachgezeichnet hat, war Tibet bis zur Flucht des Dalai Lama ein feudaler Gottesstaat, in dem es keinerlei garantierte Menschenrechte gab. So gab es in Tibet noch zur Regierungszeit des Dalai Lama die Leibeigenschaft.

Zweitens: Es gibt eine auffallende Nähe zwischen dem Dalai Lama und Exponenten aus dem politisch rechten Spektrum Europas. Das gilt in Sonderheit für den Bergsteiger Heinrich Harrer und den Anthropologen Bruno Beger – beide Mitglieder der SS. Drittens: Das romantische Tibetbild der Medien blendet jede Kritik an den undemokratischen Strukturen der Exil-Regierung des Dalai Lama im indischen Exil aus, z. B. die in einem Alleingang des Dalai Lama im letzten Jahr verfügte »Abschaffung« des Schutzgottes Dorje Shugden.

Viertens: In den 1950er und 1960er Jahren wurden die wichtigsten exil-tibetischen Gruppen von der CIA illegal unterstützt. Gegenwärtig erfolgt deren legale Finanzierung durch die National Endowment for Democracy (NED), eine öffentliche Stiftung des US-Kongresses.

Und die Aktivitäten der NED stehen stellvertretend für den Teil der konservativen Elite der USA, deren Außenpolitik an einem innerchinesischen Bürgerkrieg interessiert ist.

Der Autor ist Medienwissenschaftler und lebt in Solingen.

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