Zum Schutz der Abhängigen

Dirk Schäffer plädiert für eine kontrollierte Drogenabgabe an erwachsene Süchtige

  • Lesedauer: 3 Min.
Heute findet bundesweit der jährliche Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher statt. Seit 1998 wird der Tag am 21. Juli bundesweit begangen. Über Drogenopfer, Lebensverbesserungen für Abhängige und Proteste gegen Selbsthilfeeinrichtungen der Drogenhilfe sprach ND-Autor Markus Bernhardt mit DIRK SCHÄFFER.

ND: Das Motto des diesjährigen Gedenktages lautet »Heroin für alle, die es brauchen«. Was genau ist damit gemeint?
Schäffer: Im Mai 2009 veränderte der Bundesgesetzgeber mit den Stimmen der Oppositionsparteien das Betäubungsmittelgesetz. Diamorphin, also synthetisch hergestelltes Heroin, soll unter bestimmten Bedingungen unter ärztlicher Kontrolle zur Behandlung von Opiatabhängigen eingesetzt werden. Hiermit wird die Palette der zur Verfügung stehenden Medikamente zur Substitution um ein wichtiges Präparat erweitert. Dies hilft Menschenleben zu retten.

Nun geht es darum, dass überall dort, wo es Menschen gibt, die eine solche Behandlung mit Diamorphin benötigen, auch entsprechende Behandlungsangebote entstehen.
Die Selbsthilfeorganisationen mussten viel Kraft aufbringen, um die Versorgung von sogenannten Schwerstabhängigen mit Diamorphin durchzusetzen. Haben Sie nun alles erreicht?

Die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes war ein erster wichtiger Schritt. Nun geht es in die Phase der Umsetzung in den Kommunen und hier zeigen sich bereits die ersten Schwierigkeiten. So haben der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) – die Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen – Richtlinien, unter denen die Diamorphinbehandlung stattfinden kann, die in einigen Punkten über die Bestimmungen des Gesetzgebers hinausgehen. Viele Fachverbände und Betroffene haben nun die Sorge, dass aufgrund dieser hochschwelligen Richtlinien eine bedarfsgerechte Versorgung unmöglich wird.

Fernab gesetzlicher Bestimmungen stehen die Selbsthilfeorganisationen jedoch auch vor anderen Problemen. Vielerorts – sogar in als linksalternativ geltenden Bezirken wie Hamburg-Sankt Pauli und Berlin-Kreuzberg – kommt es zu zweifelhaften Aktivitäten von selbsternannten Bürgerwehren, wenn Druckräume für Heroinkonsumenten eingerichtet werden sollen. Wie ist den gegen die Drogenhilfe gerichteten Kampagnen beizukommen?
Wir haben es in der Tat mit einer besorgniserregenden Entwicklung zu tun. Seit 20 Jahren gibt es in Kreuzberg nunmehr Angebote für Drogenkonsumenten. Seit vielen Jahren auch einen Drogenkonsumraum, der ohne große Skandale seine wichtige Arbeit leistet. Der schrittweise Umbau eines ganzen Stadtteils führt jedoch dazu, dass viele Bewohner aufgrund verteuerter Mieten in die preiswerteren Bezirke ziehen müssen. Die Mieterstruktur verändert sich zunehmend. Dies ist vielleicht ein Erklärungsmuster, warum in Bezirken, die als liberal gelten, nun Drogenkonsumenten und Angebote, die helfen sollen, Schäden zu minimieren, am Pranger stehen.

Was wäre zu tun, um die Lebenssituation der Drogenkonsumenten konkret zu verbessern?
Hierzu benötigen wir eine andere, eine alternative Drogenpolitik. Es kann nicht sein, dass der Staat hier Kriminellen das Heft des Handelns überlässt. Nur der Weg einer Legalisierung wird mittelfristig dazu führen, dass sich die Lebenssituation von Drogenkonsumenten verbessert. Dies meint natürlich nicht, dass Drogen frei erhältlich sind, sondern kontrolliert nur an Erwachsene in eigens hierfür einrichteten Läden verkauft werden. Nur über ausreichende staatliche Kontrolle, die die Konsumenten schützt, werden negative Auswirkungen für Individuen und die Gesellschaft reduziert werden können.

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