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Die Türen endlich öffnen

Badisches Schulprojekt will türkischen Müttern aus der sozialen Isolation helfen

  • Dirk Baas und Frank Timm, epd
  • Lesedauer: 3 Min.
Rund 550 türkische Frauen leben in Müllheim und Umgebung, ein Schulprojekt will sie besser integrieren und dadurch auch ihre Kinder mehr fördern. Denn viele ausländische Kinder der dritten Generation haben Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache.

Müllheim. Sie fühlen sich isoliert und wegen fehlender Sprachkenntnisse oft auch ausgegrenzt: Die Situation hier lebender junger türkischer Mütter ist oft problematisch. Deshalb hat die Diakonie im südbadischen Müllheim das Schulprojekt »Hand in Hand für eine gute Zukunft« initiiert. Die Frauen sollen besser integriert und ihre Kinder dadurch mehr gefördert werden.

Rund 25 türkische Frauen sowie Ute Knapp-Hofmann und Melahat Aygüner-Uleç von der Müllheimer Diakonie sitzen für zwei Stunden mit Lehrerinnen und Gästen in der Aula der Rosenburg-Grundschule zusammen. Einmal im Monat finden hier und an einer weiteren Schule in Müllheim solche Treffen statt. Die Atmosphäre ist herzlich, es gibt keine Berührungsängste.

Ein Teufelskreis

Allen geht es um die Frage, wie das Potenzial der türkischen Frauen für die Integration besser erschlossen werden kann. Die größte Hürde für viele sind Sprachprobleme. Erörtert wird, welche Form der Unterstützung sie brauchen, um auch ihrer Erziehungsaufgabe eher gewachsen zu sein. Davon würden auch die Kinder mit ihren schulischen Leistungen profitieren.

Meret Kandahars und Birte Worans (Namen geändert) Lage ist typisch für Migrantenfrauen.

Kandahar verbringt die ersten Grundschuljahre in einem kleinen Ort in Südbaden. Die Beschimpfungen des damaligen Klassenlehrers klingen der jungen türkischen Frau bis heute in den Ohren. Später zieht sie für drei Jahre in die Türkei. Zurück in Deutschland, besucht sie die Hauptschule, eine Berufsausbildung hat sie nicht. »Dieselben Fehler will ich mit meinen Kindern nicht noch einmal machen«, sagt sie in fließendem Deutsch. Birte Woran ist Mutter und Hausfrau. Zwölf Jahre war sie ausschließlich zu Hause und hat erst dann angefangen, die fremde Sprache zu lernen. Noch tut sie sich schwer damit. Die Türkin kann ihre Kinder daheim kaum beim Lernen unterstützen. Damit kommt ein Teufelskreis in Gang, den viele Zuwanderer kennen. Ihre Kinder haben Probleme in der Schule, bringen schlechte Noten heim, viele scheitern ganz im Bildungssystem. Und ohne Abschluss finden sie oft weder Lehrstellen noch Job.

Laut »Drittem Armuts- und Reichtumsbericht« der Bundesregierung können 13 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund keinen Schulabschluss vorweisen. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung sind es rund zwei Prozent. »Neben vielen anderen Integrationsaufgaben in der Einwanderungsgesellschaft gibt es enorme Herausforderungen im Bereich Bildung«, urteilt der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration in seinem Jahresgutachten 2010. Noch könne von gleichen Bildungschancen von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund nicht die Rede sein.

Die Bundesagentur für Arbeit zählt Zuwanderer weiter zu den Problemgruppen. Bei Migranten lag die Arbeitslosenquote im Mai mit 16,8 Prozent mehr als doppelt so hoch wie bei den Deutschen (7,5 Prozent).

Netzwerk aufbauen

Rund 550 türkische Frauen leben in Müllheim und Umgebung, berichtet Sozialpädagogin Knapp-Hofmann. Viele ausländische Kinder der dritten Generation hätten Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache.

Künftig soll es zwischen Lehrerinnen und Müttern einen regelmäßigen Informationsaustausch geben. Ziel sei ein Netzwerk, um die persönlichen Kontakte zu stärken. Zudem soll eine Anlaufstelle für Bildungs- und Erziehungsfragen entstehen. Denn auch in Müllheim besuchen die meisten türkischen Mädchen und Jungen die Hauptschule.

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