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»Die Rente ist kein Gnadenakt«

Vorstoß von Wirtschaftsminister Brüderle wird weithin abgelehnt

  • Lesedauer: 3 Min.
Die von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) geforderte Abschaffung der Rentengarantie hat zu Empörung bei Sozialverbänden und Opposition geführt. Die Wirtschaft begrüßte die Pläne.

Berlin (Agenturen/ND). Der Sozialverband VdK hat »erheblichen Widerstand« gegen eine mögliche Abschaffung der Rentengarantie angekündigt. Präsidentin Ulrike Mascher wies den Vorschlag von Wirtschaftsminister Brüderle am Montag scharf zurück. Mascher erklärte, die Rentner in Deutschland hätten in den vergangenen Jahren bereits »erhebliche Kaufkraftverluste« hinnehmen müssen. Deswegen bräuchten die Rentner die Rentengarantie.

Die VdK-Präsidentin sagte darüber hinaus: »Die Rente ist kein sozialpolitischer Gnadenakt des Staates, sondern ist der Lohn für die Lebensleistung von 20 Millionen Menschen, die jahrzehntelang Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlt haben.«

Der Präsident des Sozialverbandes Deutschland, Adolf Bauer, verwies darauf, dass allein 2004 bis 2008 der Wertverfall bei den Renten bei mehr als zehn Prozent gelegen habe. Die Rentengarantie sei deshalb unverzichtbar.

Auch die Opposition reagierte empört. SPD-Vize Olaf Scholz, der die Rentengarantie als Bundesarbeitsminister auf den Weg gebracht hatte, verteidigte diese als »vernünftig und finanzierbar«. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf Brüderle vor, die Rentner »in wenigen Stunden« verunsichert zu haben. Die LINKE wertete den Vorstoß als Teil des »Sommertheaters«. Eine Abschaffung der Rentengarantie bedeute mehr Altersarmut, erklärte der Rentenexperte der Linksfraktion, Matthias Birkwald.

Unterstützung bekam Brüderle dagegen vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Wenn die Regierung die Beitragssätze tatsächlich bis 2020 unter 20 Prozent halten wolle, müsse die Garantie abgeschafft werden, sagte der IW-Experte Jochen Pimpertz. Auch der Bund der Steuerzahler nannte den Vorstoß Brüderles richtig.

Die Schutzklausel

Die erweiterte Schutzklausel gegen Rentenkürzungen wurde von der Großen Koalition im Sommer 2009 beschlossen. Union und SPD wollten damit ein für allemal das Risiko ausschließen, dass Renten wegen sinkender Durchschnittslöhne ebenfalls sinken.

Prinzipiell folgt die Rente den Löhnen im Abstand eines Jahres. Wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise mit ihren negativen Auswirkungen auf Einkommen und Beschäftigung wollte die Regierung die rund 20 Millionen Rentner gegen Kürzungen ihrer Renten abschotten. Bereits wirksam war eine Schutzklausel gegen zu rigorose Wirkungen der Dämpfungsfaktoren in der Rentenformel bei Mini-Lohnerhöhungen. Diese Klausel verhindert Renten-Minusrunden, wenn die Abschläge durch die Dämpfungsfaktoren (Nachhaltigkeitsfaktor, Riester-Faktor) den Lohnzuwachs übersteigen.

2009 reduzierten sich die durchschnittlichen Pro-Kopf-Entgelte im Westen erstmals seit 60 Jahren, und zwar um 0,96 Prozent. Im Osten gab es ein minimales Lohnplus von 0,61 Prozent. Im Ergebnis gab es in diesem Jahr in West und Ost eine Rentennullrunde. Im Westen kam die Neuregelung der erweiterten Garantie bei sinkenden Löhnen zum Zuge. Im Osten griff die Schutzklausel gegen unerwünschte Wirkungen der Dämpfungsfaktoren.

Nach dem Gesetz sollen unterbliebene Rentenkürzungen später mit Rentenerhöhungen verrechnet werden. Laut Rentenversicherung hat sich im Osten über die Jahre ein Nachholbedarf von 1,83 Prozent, im Westen von 3,81 Prozent aufgestaut. dpa

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