Gesten lügen nicht

Studie zeigt, wie Politiker sich ungewollt verraten

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind.« Mit diesen markigen Worten, gerichtet an die Bürger seines Landes, versuchte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) 1987 jegliche Beteiligung an einer Schmutzkampagne gegen den SPD-Politiker Björn Engholm zu leugnen. Doch kaum hatte Barschel seinen legendären Satz beendet, schlug er kurz die Augen nieder. Allein diese kleine Körpergeste sei ein Fingerzeig darauf gewesen, meinen Psychologen, dass Barschel (wie später aufgedeckt) nicht die Wahrheit gesagt habe.

Tatsächlich geht aus zahlreichen Studien hervor, dass Menschen nach einer Lüge häufig die Augen senken, um vorsorglich jeden weiteren Blickkontakt mit anderen zu meiden. Das heißt, allgemein gesprochen: Nicht nur was jemand sagt, sondern auch wie er dies tut, wirft ein Licht auf die Zuverlässigkeit seiner Äußerungen. Denn Menschen können in der Regel ihre Mimik und Gestik nicht bewusst kontrollieren, sondern werden hierbei von unbewussten Impulsen geleitet, die das Gesagte oft konterkarieren. Zwar lässt sich aus einer einzelnen Körpergeste nicht mit Sicherheit ableiten, ob zum Beispiel jemand lügt. Häufen sich allerdings die »Lügensignale« des Körpers, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Betreffende absichtlich die Unwahrheit spricht.

Als verräterische »Lügensignale« gelten gemeinhin: Augenkontakt abbrechen, Arme verschränken, nervös an die Nase greifen, die Handflächen nach außen drehen, um nur einige zu nennen. Daniel Casasanto und Kyle Jasmin vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen (Niederlande) haben jetzt nach weiteren Signalen geforscht, an denen sich namentlich bei Politikern erkennen lässt, ob diese auch wirklich hinter ihren Aussagen stehen.

Und sie sind fündig geworden – bei der Auswertung von Wahlkampfreden der US-Präsidentschaftskandidaten der Jahre 2004 und 2008: George W. Bush, John Kerry, Barack Obama und John McCain. Dabei nämlich zeigte sich, dass die Rechtshänder Bush und Kerry negative Botschaften bevorzugt mit Gesten der linken Hand, die Linkshänder Obama und McCain mit Gesten der rechten Hand unterstrichen. Ging es hingegen darum, eine positive Botschaft zu vermitteln, gestikulierten die genannten Politiker zumeist mit ihrer dominanten Hand. Auch in Laborexperimenten verbinden Menschen gute Eigenschaften gern mit ihrer dominanten Körperhälfte, weil ihnen, wie man vermuten darf, hier alle Bewegungen leichter fallen. Bei den meisten Menschen ist das die rechte Körperhälfte. Daher wird »rechts« in vielen Kulturen mit »gut« assoziiert. Im Englischen etwa steht »right« für »rechts« und »richtig«. Und auch der Handschlag zur Begrüßung erfolgt gewöhnlich mit der rechten Hand.

Darüber hinaus beeinflusst diese sogenannte Lateralität die Ausdrucksfähigkeit der nonverbalen Kommunikation. Casasanto und Jasmin erklären dazu im Fachjournal »PloS ONE« (DOI: 10.1371/ journal.pone.0011805): »Die Hand, die Redner jeweils zum Gestikulieren verwenden, kann ein Hinweis darauf sein, was sie fühlen bei dem, was sie sagen«. Denn kaum ein Mensch vermag seine Körpersignale so perfekt zu manipulieren, dass dahinter seine wahren Absichten gänzlich verschwinden. Gibt also ein Politiker ein vollmundiges Wahlversprechen ab und gestikuliert dabei mit seiner nicht-dominanten Hand, steht zu befürchten, dass er insgeheim etwas anderes denkt. Es war übrigens der Rechtshänder George W. Bush, der in seinen Reden fast die Hälfte aller positiven Botschaften mit Bewegungen der linken Hand zu bekräftigen versuchte ...

Ob die Max-Planck-Forscher mit ihrer These richtig liegen, kann im Grunde jeder selbst nachprüfen: Beobachten Sie einfach, wenn als links- oder rechtshändig bekannte Politiker im Bundestag künftig Großes versprechen, mit welcher Hand sie dabei gestikulieren. Denn in vielen Fällen wird rasch offenbar, ob das Gesagte ernstgemeint war oder nur zur Täuschung der Wähler diente.

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