Aus wenig Geld das Beste machen - Teil 6 - Sichere Sparbriefe – Deutsche Sparer meiden gern Risiko

Finanzen

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In den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts setzte eine Entwicklung ein, die seit 1990 »Globalisierung« genannt wird. Akteure in der Wirtschaft und die politische Klasse setzten ihr Vertrauen fortan auf die Kräfte eines möglichst freien Marktes. International wurde diese Variante des Kapitalismus maßgeblich von den »Reagonomics« in den Vereinigten Staaten und vom britischen »Thatcherismus« geprägt. Dieses angelsächsische Modell eines finanzmarktgetriebenen Kapitalismus galt nun als Modellfall für die neue Welt der Globalisierung.

Zudem wurde die Liberalisierung der Finanzmärkte schon in den achtziger Jahren nicht zuletzt von der Europäischen Gemeinschaft befördert, und in der Bundesrepublik half später die rot-grüne Regierung Gerhard Schröders, das Modell auch hierzulande salonfähig zu machen.

Mit dem Zusammenbruch des realsozialistischen Blocks erhielt der finanzmarktgetriebene Kapitalismus einen weiteren Schub. Weltweit verbreitete sich nach 1990 das Kapitalkonzept des »Shareholder Value«, kurzfristige Gewinninteressen und entsprechende, lukrative Boni-Systeme für die Bosse traten an die Stelle klassischer Unternehmensführung.

Der rheinische Kapitalismus mit bankenfinanzierten Firmen und längerfristigen Zielvorgaben geriet unter die Räder der börsenorientierten globalen Ökonomie. Finanzmathematische Risikomodelle der Rating-Agenturen gewannen die Oberhand über das erfahrungsgestützte Urteil des klassischen Kaufmanns.

Wilde Jagd nach der Rendite

Wo vorher noch eine solide Tendenz zur Risikoscheu vorherrschte, regierte nun die wilde Jagd nach außerordentlichen hohen Renditen. Der Wandel in der Ökonomie hatte auch für die Geldanlage Folgen: »Gier ist geil« lautet seit den neunziger Jahren das Motto für Sparer aller Einkommensklassen.

Dieses Szenario malen viele Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen und Politiker heute im Rückblick auf die vergangenen zwei Jahrzehnte. Und sie mögen in vielen Punkten ein richtiges Bild der vergangenen Wirklichkeit wiedergeben. Doch wurde der Wandel zum finanzmarktgetriebenen Turbokapitalismus auch durch Gegenkräfte gebremst.

Politischer Widerstand, kulturelle Werte oder nationale Traditionen haben (bislang) häufig verhindert, das Alles und Jedes in Japan genau so funktioniert wie in Großbritannien, in den USA genau so wie in Deutschland. So blieb beispielsweise das Sparverhalten der Bundesbürger – trotz einiger T-Aktie-Ausschläge – vorwiegend »konservativ«. Damit bezeichnen Banker und Finanzvertriebe den Wunsch nach Sicherheit. Und der ist in Deutschland nach wie vor im internationalen Vergleich besonders ausgeprägt.

Deutsche sparen emsig

Die Bundesbürger haben im vergangenen Krisenjahr sogar wieder mehr gespart. Ihr Geldvermögen (ohne Immobilien und Kapital) stieg im vergangenen Jahr um 239 Milliarden Euro und erreichte nach einer Mitteilung des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) insgesamt 4,7 Billionen Euro und damit ziemlich genau das Doppelte des Bruttoinlandsproduktes.

2008 war das Geldvermögen noch in Folge der Finanzkrise gesunken. Insgesamt ist das Geldvermögen der Deutschen damit über die vergangenen zehn Jahre hinweg deutlich gestiegen – im Jahr 1999 hatte es »nur« 3,5 Billionen Euro betragen.

»Beim Sparen und Vorsorgen setzen die Deutschen nach wie vor auf Sicherheit«, meint der Bankenverband und begründet diese Ansicht mit den knapp 1,8 Billionen Euro, die Bundesbürger in konservative Spar-, Sicht- und Terminanlagen angelegt oder als Bargeld zur Verfügung haben. Immerhin entsprechen diese Sparanlagen einem Drittel des gesamten Geldvermögens.

Die Geldanlagen bei Versicherungen (inklusive Pensionskassen, Pensionsfonds und berufsständische Versorgungswerke) betragen gut 1,3 Billionen Euro. Lediglich 364 Milliarden Euro sind in verzinslichen Wertpapieren angelegt.

Dagegen erscheint die riskanter angelegte Summe eher klein. Das in Aktien angelegte Vermögen hat um elf Milliarden Euro zugenommen; es stieg auf 181 Milliarden Euro. In diesem Teilbereich gab es mit dem Beginn der Finanzkrise den größten Einbruch, als die Aktienkurse rund um den Globus fielen. Aus den in Aktien gehaltenen 370 Milliarden Euro der Jahre 2006 und 2007 wurden im Jahr 2008, als die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers insolvent ging, 169 Milliarden Euro. Der Wiederaufstieg des Aktienvermögens ist vor allem Folge der aufstrebenden Aktienkurse, die sich von ihren Krisentiefstständen wieder erholt haben.

Sicherer Sparbrief

Zu den sicheren konservativen Geldanlagen zählen Sparbriefe. Sie ähneln Festgeldkonten: Ein bestimmter Betrag wird über einen längeren Zeitraum fest angelegt. Der Unterschied zum Festgeld besteht in der Länge der Anlagedauer und in den Zinsen. Zur Zeit schneiden Sparbriefe bei den Renditen besser ab als Festgeld und damit auch besser als Tagesgeld.

In der Praxis sind die Übergänge zwischen den verschiedenen Finanzprodukten fließend. Die Finanzverkäufer tragen das Ihre zur Unübersichtlichkeit bei, indem sie Sparbriefe, Festgeld oder Tagesgeld mit flotten Reklametiteln wie »Turbo«, »Extensive« oder »CX3« belegen. Die Reklamenamen versprechen Dynamik, Geschwindigkeit oder andere Eigenschaften, die wenig oder nichts mit dem eigentlichen Produkt zu tun haben.

Banken und Sparkassen erfanden den Sparbrief vor vier Jahrzehnten. Damit wollten sie den Abfluss der Spargelder zu börsengehandelten, verzinslichen Wertpapieren stoppen und das für sie preisgünstige Geld der Kunden in ihren Instituten halten. Am Sparbriefverkauf verdienten die Geldinstitute außerdem oft mehr als mit dem Handel verzinslicher Wertpapieren.

»Sie geben den Kunden für deren Spargelder zwei bis fünf Prozent Zinsen und leihen den Kreditsuchenden dieses Geld für acht bis 15 Prozent aus«, kritisierte der Infodienst Verbrauchermagazin. »Das muss das sein, was die bösen Herren Marx und Engels mit Mehrwert meinten.« Nun, ja.

Konkurrent des Bundesschatzbriefes

Wer einen einfachen Sparbrief kauft, zahlt den angegebenen Kaufpreis und bekommt die Zinsen obendrauf. Sparbriefe gibt es ab 50 Euro. Die Zinsen werden für die gesamte Laufzeit fest vereinbart. Der Anlagezeitraum beträgt eins, zwei oder sechs Jahre und kann sogar noch länger dauern. Der vorzeitige Zugriff auf das Guthaben ist unmöglich.

Allerdings kann ein Sparbrief während der Laufzeit auf einen Dritten übertragen werden. Das geht aber nur, wenn die Bank der Transaktion zustimmt. Sie können Sparbriefe auch beleihen, wenn Sie das angelegte Geld dringend benötigen. Doch dieser Weg ist finanziell äußerst nachteilig und schafft nur in einem akuten Notfall Linderung.

u Sie sollten sich vor Vertragsabschluss gut überlegen, ob Sie das Geld innerhalb der gewünschten Laufzeit wirklich nicht benötigen werden!

Bei der Zinszahlung gibt es Variationen. Mal zahlen Banken die Zinsen jährlich aus, mal werden die Zinsen wieder angelegt und mitverzinst. Üblich sind gleichbleibend hohe Zinszahlungen für jedes Jahr. Bei einer solchen jährlichen Ausschüttung werden die Zinsen auf das Girokonto des Sparbriefinhabers gutgeschrieben. Dies kann in speziellen Fällen steuerlich günstiger sein als die zweite Variante, bei der die Zinsen angesammelt werden.

Bei der Zinsansammlung werden die Zinsen nicht ausgezahlt, sondern – wie es der Name verrät – auf dem Sparbrief weiter »angesammelt«. Dadurch werden sie gleich wieder angelegt; und im Endeffekt ist die Rendite höher als bei jährlicher Ausschüttung. Diesen berühmten Zinseszinseffekt schauen wir uns in einer späteren Folge genauer an.

Es gibt auch Sparbriefe, bei denen die Zinsen jedes Jahr nach einem festen Plan ansteigen. In dieser Variante konkurrieren Sparbriefe dann mit den (aktuell niedriger verzinsten) staatlichen Bundesschatzbriefen.

Eine weitere Möglichkeit bieten »abgezinste« Sparbriefe. Wer solche kauft, zahlt den um die Zinsen verminderten Kaufpreis. Ein Beispiel: Für einen Sparbrief über 100 Euro zahlen Sie 95 Euro. Am Ende der Laufzeit bekommen Sie 100 Euro ausgezahlt. Die Differenz von 5 Euro sind Ihre Zinsen.

Aktuell schneiden Sparbriefe bei den Zinsen besser als andere Einmalanlagen ab. Santander Consumer Bank und Santander Direkt Bank markieren einen Spitzenwert. Sie bieten ihren Kunden knapp 3,50 Prozent Zinsen. Der Haken: Die Laufzeit beträgt mindestens drei Jahre. Doch niemand weiß, ob 3,5 Prozent 2012 oder 2013 noch eine lukrative Rendite sind.

HERMANNUS PFEIFFER

Teil 7 der Serie erscheint im Ratgeber vom 25. August

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