Christian Schenk der Retter in der Not

Leichtathletik: 61. ISTAF - neue Leute und neue Stätte / Der Rostocker Zehnkampf-Olympiasieger von 1988 soll Sportdirektor werden

Das traditionelle Internationale Stadionfest (ISTAF) der Leichtathleten in Berlin - Finalort der Golden-League-Serie - war in den letzten Monaten in finanzielle Turbulenzen geraten. Im Laufe der Jahren hatte sich ein Schuldenberg von umgerechnet 500000 Euro aufgetürmt. Die späte, aber logische Konsequenz: Mitte April meldete die ISTAF GmbH beim Berliner Amtsgericht Insolvenz an. Damit aber war die Fortführung des 81-jährigen Meetings gefährdet. Inzwischen haben sich die Wogen geglättet. Eine Auffanggesellschaft wurde gegründet. Gesellschafter der Leichtathletik-Veranstaltungs GmbH (LVG) sind die Marketing-Gesellschaft DLM, ein Tochterunternehmen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, sowie der Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), Werner Geigenbauer, der frühere ISTAF-Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Henk und der Berliner Unternehmer Gerhard Janetzky. Die neuen Gesellschafter sicherten als erstes zu, die ausstehenden Zahlungen an Athleten aus dem Vorjahr in Höhe von 300000 Euro zu leisten. Und zweitens wurde in den Verhandlungen der neuen Gesellschafter mit dem Insolvenzverwalter die Übernahme der ISTAF-Rechte vereinbart. Ein Neuanfang also. Inzwischen zeichnen sich die Konturen ab, mit welchem Team die neue Gesellschaft zur Rettung des 61. ISTAF 2002 an den Start geht. Als Retter in der Not soll nach den bisherigen Verlautbarungen der Ex-Zehnkämpfer Christian Schenk (Foto: dpa) verpflichtet werden - als neuer ISTAF-Direktor. Der einst für den SC Empor Rostock startende DDR-Athlet war 1988 in Seoul nach dem Leverkusener Willi Holdorf (1964 in Tokio) der zweite deutsche Zehnkämpfer, der Olympiasieger wurde. Der heute 37-Jährige, der sein 1986 begonnenes Medizinstudium 1990 abbrach, ist inzwischen Inhaber der Sportmarketing und Werbeagentur »Sports Unlimited« mit Büros in Rostock und Berlin. Er war zuletzt vor allem im Sport-Consulting für verschiedene Firmen tätig. 1997 wurde er Vizepräsident des Leichtathletik-Verbandes von Mecklenburg-Vorpommern. 1995 war dem zweifachen deutschen Meister (1991, 1993) vom DLV der Rudolf-Harbig-Preis verliehen worden. An Schenk werden nun viele Hoffnungen geknüpft, dass er das ISTAF aus der Krise führt. Noch aber ist offen, ob er das Amt als Meeting-Direktor tatsächlich annimmt. Der Vertrag ist nämlich noch nicht unterschrieben. Damit wird am heutigen Freitag, spätestens am Wochenende gerechnet. »Ich gehe davon aus, dass Schenk beim diesjährigen Meeting die Leitung übernimmt. Bei der nächsten Gesellschafter-Sitzung wird dann auch geklärt, welcher Etat ihm zur Verfügung steht«, gab sich Werner Geigenbauer, einer der vier neuen Gesellschafter, zuversichtlich. Schenk selbst tritt wie einst als Zehnkämpfer auf - kämpferisch. »Es war unglücklich, wie Berlin das Rennen um die Leichtathletik-WM 2005 verloren hat«, äußerte er dieser Tage und spricht wohl schon wie der künftige Meeting-Direktor, wenn er hinzufügt: »Jetzt müssen wir alles daran setzen, um das ISTAF als deutsches Golden-League-Meeting zu erhalten.« Er weiß: Die Zeit drängt. Bis zum 31. Mai muss dem Weltverband IAAF ein Konzept vorliegen, mit dem sich das ISTAF als Golden-League-Meeting für die Zukunft bewirbt. Die bisherigen sieben Stationen sollen auf fünf reduziert werden. Dafür stehen acht Bewerber bereit. Brüssel, Zürich und Paris gelten als gesetzt. Auch Monte Carlo als IAAF-Sitz wird favorisiert. Berlin, Rom, London und Oslo sind die weiteren Bewerber. Ein offenes Rennen. Fällt am Ende Berlin aus der »Königsklasse« heraus, wäre das vermutlich auch das Ende des ISTAF. DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop sprach kürzlich vor Journalisten in Berlin sogar »von einer Katastrophe, wenn Berlin den Golden-League-Status verliert«. Prokop nannte »als größtes deutsches Problem die bislang nicht gewährleistete Präsenz im Free-TV«. Auch die Rahmenbedingungen für das diesjährige ISTAF sind nicht unproblematisch. Die Überlegung, den Freitag-Termin 6. September auf das Wochenende zu verschieben, wurde fallen gelassen, wohl auch deswegen, weil das auf wenig Gegenliebe bei der IAAF gestoßen wäre. Neu ist auch: Das 61. ISTAF findet nicht im Berliner Olympiastadion statt. Wie die Fachzeitschrift »Leichtathletik« berichtet, will der Veranstalter angesichts des Umbaus der Olympiastadions - das komplette Innenfeld wird um zwei Meter abgesenkt - jedes Risiko eines Umbau-Terminverzugs umgehen und ins Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion umziehen. Dort fand bekanntlich zu DDR-Zeiten Jahr für Jahr der renommierte »Olympische Tag« statt. Unvergessen dabei der 21. Juli 1984, als der Potsdamer Uwe Hohn als erster Über-100-m-Speerwerfer der Welt den Ewig-Weltrekord erzielte - 104,80 m. Wenig später änderte die IAAF die Regeln und den Schwerpunkt der Speere, um 100-m-Weiten zu vermeiden (seit 1996 steht der Weltrekord bei 98,48 m). Im Vorfeld der 98. Deutschen Meisterschaften 1998 in Berlin war das Jahn-Stadion renoviert worden. Es fasst 19000 Zuschauer. Beim ISTAF werden erfahrungsgemäß 40000 Zuschauer und mehr erwartet, so dass erwogen wird, einige Zusatztribünen aufzustellen. Auf Christian Schenk als designierten ISTAF-Direktor warten also jede Menge Probleme...
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