Symbolkampf um den bayerischen Helden

Wie kriminell war Franz Josef Strauß? Diese Frage beschäftigt derzeit die bayerische Regierung

Kam das Vermögen von Franz Josef Strauß auf illegale Weise zusammen, wie der Buchautor Wilhelm Schlötterer nahe legt? Der bayerische Landtagsabgeordnete Sepp Dürr verlangt eine Aufarbeitung der Machenschaften des früheren CSU-Vorsitzenden.

»Jemand, der das Recht gebeugt hat, taugt nicht als Vorbild«, sagt Sepp Dürr, Abgeordneter der Grünen im Bayerischen Landtag. Er spricht von »politischem Anstand«, der »etwas sehr Kostbares« sei und den Strauß nicht gekannt habe. Für ihn hat es nichts mit Vergangenheitsbewältigung zu tun, wenn er den bayerischen Helden von seinem Sockel stürzen will. »Mir geht es um die Gegenwart«, sagt Dürr. Und um die Zukunft, in welcher der Flughafen München nicht mehr den Namenszusatz »Franz Josef Strauß« trüge.

Die politischen Gegner des früheren Bundesverteidigungsministers, CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten mögen spätestens seit der »Spiegel«- Affäre geahnt haben, dass Strauß über kriminelle Energie verfügte. Ganz anders seine Parteikollegen. »Für mich und jeden echten CSUler ist Strauß das große Vorbild«, sagte der Ex-Generalsekretär Markus Söder, nachdem die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer dies im vergangenen Jahr vorsichtig angezweifelt und sich damit großen Ärger eingehandelt hatte. Wenn es nach dem Parteivorsitzenden Horst Seehofer oder Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer ginge, zöge Strauß gleich nach Heinrich Heine in die Ruhmeshalle in Walhalla ein. Der Kabarettist Helmut Schleich, der Strauß beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg unter Jubelstürmen imitiert hatte, erzählte in einem Interview, er werde ständig auf die Rolle angesprochen: »Die Leute projizieren ihr Heldenbild von Franz Josef Strauß in mich hinein, das wird mir schon fast ein bisschen unheimlich.«

Und das trotz allem. Denn mehr als 20 Jahre nach seinem Tod kann man sich ein genaueres Bild von Strauß' Regierungsstil machen als je zuvor. Voriges Jahr legte der inzwischen pensionierte Finanzbeamte Wilhelm Schlötterer das Buch »Macht und Missbrauch« vor, in dem dessen Machenschaften akribisch beschrieben werden. Selbst CSU-Mitglied, wirkte Schlötterer, der in den neunziger Jahren an der Aufdeckung der Amigo-Affäre beteiligt war, in den höchsten Behörden des Freistaats. Franz Josef Strauß wirft er selbstherrliches Agieren und geradezu systematischen Amtsmissbrauch vor: Er habe sich bei allen möglichen Gelegenheiten persönlich bereichert, Steuern hinterzogen, Geld der Partei in die eigene Tasche gesteckt, seine »Spezln« begünstigt und beschützt, seine Kritiker bedroht und klein gehalten. »Das Geld war die stockdunkle Seite von Strauß«, schreibt Schlötterer. Auch sei er in dubiose Waffengeschäfte im Nahen Osten verwickelt gewesen, habe über mehrere Konten in der Schweiz verfügt und sich teure Geburtstagspartys an der Cote d'Azur bezahlen lassen. Und das ohne Konsequenzen. »In Bayern wäre ein Strafverfahren gegen F.J. Strauß oder Edmund Stoiber völlig undenkbar gewesen – die Justizhoheit lag bei ihnen, sie konnten andere verfolgen lassen, waren aber selber unantastbar.«

Weit über 50 000 Exemplare von Schlötterers Buch wurden bisher verkauft, der Autor tourt nach wie vor durch die Republik, um daraus zu lesen. Nicht ohne Folgen: Die Kinder von Franz Josef Strauß stellten einen Strafantrag gegen ihn wegen Verleumdung und Verletzung des Steuergeheimnisses, und kürzlich hat die Staatsanwaltschaft München I Ermittlungen gegen ihn eingeleitet. Doch Schlötterer gibt sich unbeeindruckt: »Mein Buch wurde vor seinem Erscheinen juristisch geprüft«, sagte er der »Abendzeitung«.

Sepp Dürr findet es »unerträglich«, dass in Bayern die Vergehen des früheren Landesvaters nach wie vor »augenzwinkernd übergangen« werden. Er hat die schweren Vorwürfe Schlötterers aufgegriffen und die Landesregierung in einer schriftlichen Anfrage damit konfrontiert. Schließlich habe diese bisher »die Vorwürfe weder aufgeklärt, dementiert oder widerlegt noch andere Konsequenzen gezogen«. Für Dürr, auch Mitglied des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur bayerischen Landesbank, ist das ein »Symbolkampf um die politische Kultur der Gegenwart«. Er plant einen Antrag zur Namensänderung des Flughafens München »Franz Josef Strauß«. Aber zunächst will er die Diskussion noch »ein bisschen gären lassen«.

Auf die Frage, welche Antwort er von der Staatsregierung erwarte, sagt Dürr: »Eine gründliche.« Man hat bereits um eine Verlängerung der Frist zur Beantwortung der Anfrage bis Mitte September gebeten. »Die recherchieren.«

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