Böhmens Flüsse laufen wieder über
Evakuierungen nach neuen schweren Regenfällen und einer Flutwelle im Norden Tschechiens
In Visova mussten am Wochenende wieder Einwohner evakuiert werden. Allein im Bezirk Liberec haben die Wassermassen 44 Brücken beschädigt oder weggerissen.
Das Hochwasser lässt die böhmische Nordbezirke nicht zur Ruhe kommen. Nach den verheerenden Niederschlägen eine Woche zuvor, die in vielen Ortschaften schwere Schäden angerichtet und fünf Menschenleben gefordert hatten, zogen an diesem Wochenende erneut Gewitter, Stürme und sintflutartige Regenfälle über die Region. So sind im Bezirk Liberec in der Nacht zum Sonntag 56 Liter pro Quadratmeter gefallen. Stark betroffen sind auch die Grenzregionen zu Sachsen, die Bezirke Usti und Decin. Auch der westböhmische Bezirk Plzen ist dieses Mal stark in Mitleidenschaft gezogen worden.
Der Hydrometeorologische Dienst (CHMU) hatte gewarnt, dass von Sonntag auf Montag nochmals mit Niederschlägen von bis zu 60 Litern je Quadratmeter gerechnet werden müsse. Und tatsächlich sind Bäche und Flüsse erneut zu reißenden Wassern angeschwollen; die bereits aufgeweichten Deiche und Dämme gerieten noch stärker in Gefahr. Für die Region um Frydlant, in der bereits in der vergangenen Woche schwere Schäden zu verzeichnen waren, ist die höchste Warnstufe 3 ausgerufen worden. In den übrigen tschechischen Bezirken gelten wegen des anhaltenden schlechten Wetters die Warnstufen 1 und 2. Die Meteorologen erwarten, dass die Gewitter und die starken Regen bis Dienstag anhalten werden, erst dann wird mit einer Wetterberuhigung gerechnet.
Aus diesem Grund haben Armee und Rettungskräfte bereits mehrere Ortschaften evakuiert. So wurden neben Einwohnern von Visnova bei Frydlant auch Bewohner flussnaher Straßen in Hradek an der Neiße in Notunterkünfte gebracht. Wie die Sprecherin des Bezirksfeuerwehr von Liberec, Iva Michalickova, erklärte, gehe die Sicherung der Menschen vor der von Gütern.
In der Woche zuvor hatten sich etliche Bewohner der vom Wasser bedrohten Siedlungen aus Angst vor Plünderungen geweigert, ihre Häuser zu verlassen. Einige von ihnen mussten dann per Hubschraubereinsatz von den Dächern gerettet werden. Innenminister Radek John hatte daraufhin erklärt, bei notwendigen Evakuierungen strenger durchzugreifen. Menschen, die sich weigerten, den Aufforderungen der Behörden Folge zu leisten, müssten Aktionen zu ihrer Rettung selbst bezahlen.
Während sich die Einsatzkräfte auf die neue Flutwelle vorbereiten, haben Architekten und Bauspezialisten die Schäden der jüngsten Überschwemmungen untersucht. Vor allem Neubauten und Häuser, die in den vergangenen 50 Jahren entstanden sind, waren von Wasserschäden betroffen. Die älteren Bauten blieben weitgehend verschont.
»Früher haben die Menschen mehr darüber nachgedacht, wo sie ihre Häuser bauen«, erklärt Vaclav Nemec von der Denkmalpflege in Liberec, »sie beobachteten die Steine im Fluss und wussten, dass hier auch starke Strömungen herrschen konnten«. Vor allem die einst von Deutschen errichteten Häuser in der Region um Decin und Usti hielten den Fluten stand – hohe steinerne Schwellen, das Erdgeschoss in Blockhausgestalt, erst im ersten Geschoss gemauerte Wände, diese Konstruktion ist widerstandsfähig.
Später seien die Häuser unter anderen Gesichtspunkten gebaut worden, so Nemec, etwa eine schöne Aussicht auf den Fluss. Dazu wurde in Ufernähe neues Bauland erschlossen, das nun jedoch bei starken Niederschlägen am ehesten gefährdet ist. Die regionalen Behörden denken bereits über Rückbauten im ufernahen Bereich nach, um Flutschäden in Zukunft zu verringern.
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