Des Päpstleins lange Reise

Verstoßene Figur des Bildhauers Lenk unter großem Rummel in der Steiermark eingetroffen

  • Holger Reile
  • Lesedauer: 5 Min.
Das Kunsthaus Weiz in der Steiermark freut sich über die Ankunft des umstrittenen »Päpstleins«. Die Figur des Konstanzer Bildhauers Peter Lenk war von ihrem Platz in Konstanz vertrieben worden.
Gaukelt nur vor, ein Papst zu sein: »Päpstlein«
Gaukelt nur vor, ein Papst zu sein: »Päpstlein«

Als der seltsame Tross drei Tage lang durch Österreich fuhr, war das vor allem für die Medien ein Topthema. Wo immer das »Gauklermobil« auch auftauchte und Halt machte, warteten schon Journalisten und hofften auf knackige Statements und verwertbare Bilder. Die gab es auch, denn ein papstähnlicher Gnom, nackt und rund 700 Kilogramm schwer, wurde auf einem Anhänger unter einer Art Baldachin quer durch die Alpenrepublik gezogen, umrahmt von Engeln und einem lüstern glotzenden Presseferkel.

Am 9. August hatte das »Päpstlein« des Bildhauers Peter Lenk den Bodensee verlassen und sich auf seine rund 1000 Kilometer lange Reise begeben. Zielort: das Kunsthaus Weiz in der Steiermark, nicht weit von Graz entfernt. Der steirische Aktionskünstler Johan Maden, Mitarbeiter des Kunsthauses Weiz, organisierte die Überführung und verkündete an zehn ausgesuchten Zwischenstopps die zentrale Forderung: »Wir wollen erreichen, dass der Vatikan wieder einen päpstlichen Hofnarren einstellt, der ihm ungestraft die nackte Wahrheit sagen kann.« Das Amt des Hofnarren, das es jahrhundertelang gab, sei 1566 vom Großinquisitor und späteren Papst Pius V. abgeschafft worden. Von da an, so Lenk schelmisch, liefen die Päpste stets Gefahr, »selber für Gaukler oder Hofnarren gehalten zu werden«.

Die Vorgeschichte der Vertreibung ist vor allem für die Stadt Konstanz hochnotpeinlich. Der papstähnliche Alte saß auf Wunsch der Touristen Information einige Wochen im örtlichen Bahnhof und sorgte für allgemeine Heiterkeit. Dann aber behauptete die »Bild«-Zeitung, in Konstanz säße der nackte Papst Benedikt XVI.

Ein gefundenes Fressen für schlichte Gemüter, die spontan ihre Empörung äußerten und behaupteten, das putzige Figürchen würde religiöse Gefühle verletzen. Obwohl sich »Bild« für die Falschmeldung bei Lenk entschuldigte, wurde das »Päpstlein« auf Druck von Stuttgarter CDU-Politikern und Kirchenvertretern eines Nachts heimlich abgebaut und in den Konstanzer Wertstoffhof gebracht. Peter Lenk konnte nur noch fassungslos den Kopf schütteln: »Kaum zu glauben, was hier passiert ist.« Die »Bild«-Zeitung bot dem Künstler sogar kleinlaut an, als eine Art Wiedergutmachung einen positiven Artikel über ihn zu schreiben, doch Lenk lehnte dankend ab: »Das ist ja noch schlimmer, das hängt einem dann wie Scheiße am Bein.«

In Imperias Hand

Noch absurder wirkt die Aktion der Skulpturenstürmer vom Bodensee, wenn man weiß, dass das Original des Verbannten schon vor 17 Jahren in der Konstanzer Hafeneinfahrt Unterkunft gefunden hat. Denn dort steht die ebenfalls von Peter Lenk geschaffene riesige Statue »Imperia«, die längst zum Wahrzeichen der Stadt geworden ist. Auf ihrer Hand sitzt in luftiger Höhe – das Päpstlein. Lenks vollbusige Imperia ist eine satirische Anspielung auf das Konstanzer Konzil (1414 bis 1418), bei dem sich rund 800 Huren um das Wohlergehen der weltlichen und geistlichen Würdenträger kümmern mussten. Peter Lenk hat immer erklärt, dass der runzlige Alte mit einer Papstkrone auf dem Kopf ein Gaukler sei, der sich die Insignien der geistlichen Macht angeeignet habe. »Wer behauptet, meine Figur verkörpert den jetzigen Papst Benedikt, muss blind sein«, wiederholte Lenk mehrmals. Doch es half nichts, das Gaukler-Original in der Hand Imperias darf bleiben, die Kopie aber musste weg. Grotesker geht es kaum.

Schon beim ersten Halt an der Klosterkirche Birnau sorgte das Figurenensemble für Aufregung. Viele Touristen umringten das Gauklermobil, Fernsehkameras liefen, Fotografen balgten sich um die besten Plätze. Der Ort war bewusst gewählt, denn hier hatte, wie im Frühjahr bekannt wurde, ein Geistlicher einen Jungen missbraucht. Eine aufgeregte Mitarbeiterin des Klosters versuchte vergebens, die ungebetenen Gäste zum Weiterfahren zu bewegen. Johan Maden versagte dem Kloster Birnau ausdrücklich die Absolution, Peter Lenk stand in Interviews Rede und Antwort. Ein Fernsehredakteur, der auf der Suche nach aufgebrachten Gläubigen war, gab schließlich auf: »Nichts zu machen, alle nehmen die Aktion mit Humor.« Lenks Geschenk, eine Flasche »Ablasströpfchen«, gebrannt aus der Williams Christ Birne, fand allerdings keinen Abnehmer. Die Klosterleitung ließ sich nicht blicken und wartete hinter verschlossenen Türen, bis das Spektakel zu Ende war.

Der Konvoi zog weiter nach Bregenz und parkte direkt vor den Toren des Festspielhauses. Auch hier entstanden unter herbeigeeilten Touristen und Einheimischen lebhafte und weitgehend amüsante Diskussionen. Der Technische Direktor der Bregenzer Festspiele bot dem Päpstlein und seinem Gefolge sogar Asyl an Ort und Stelle für 24 Stunden an. »Kunst«, so der Mann, »muss frei bleiben«. Doch der Zeitplan war dicht gestrickt und ließ keinen längeren Aufenthalt zu.

Über Salzburg, Maria Zell, Bruck an der Mur und Graz erreichte der päpstliche Gaukler schließlich das Kunsthaus Weiz und wurde dort von Museumsleiter Georg Köhler herzlich begrüßt. Erneut drängelten sich Medienvertreter aus ganz Österreich um den Gast aus Deutschland, der unter seiner Papstkrone keine Miene verzog und den Trubel würdevoll über sich ergehen ließ. Auch die Anwesenheit herbeigeeilter christlich-fundamentalistischer Demonstranten, die Papst Benedikt beleidigt wähnten, überstand er schadlos.

Danke, Konstanz

Anderntags wurde vor großem Publikum eine Sonderausstellung mit Werken von Peter Lenk im Kunsthaus eröffnet. Auf einer mächtigen Bühne thront nun der aus Konstanz vertriebene Gaukler und erteilt dort wohlmeinenden Besuchern bis zum 4. September die Absolution. Der Weizer SPÖ-Nationalrat Christian Faul konnte sich einen spöttischen Seitenhieb Richtung Bodensee nicht verkneifen: »Herzlichen Dank, Konstanz.« Soviel mediale Aufmerksamkeit wie in den letzten Tagen hat das Kunsthaus Weiz noch nie erlebt.

Wohin es den mittlerweile in ganz Europa bekannten Gauklerpapst nach der Weizer Ausstellung treiben wird, ist noch unklar. Johan Maden schließt eine Weiterreise nicht aus: »Richtung Rom wär' auch nicht schlecht. Schau' mer mal.«

Und auch die Konstanzer Kulturbanausen können nicht sicher sein, dass die Angelegenheit nun ausgestanden ist. Denn Peter Lenk schreibt gerade an einem satirischen Theaterstück mit dem Titel: »Der Papst kommt«. Die Uraufführung ist im Konstanzer Stadttheater geplant, bekannte Schauspieler haben ihr Mitwirken bereits zugesagt.

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