Der Glasdoktor von Jena
Vor 75 Jahren starb der Chemiker Otto Schott
Er gilt heute als Begründer der wissenschaftlichen Glasforschung: der deutsche Chemiker Friedrich Otto Schott, der in den 1870er Jahren erstmals systematisch untersuchte, wie sich die Zusammensetzung von Glas auf dessen physikalische Eigenschaften auswirkt. Denn die zur damaligen Zeit bekannten Sorten Kalknatronglas und Bleiglas waren zwar für Flaschen und Fenster geeignet, aber nicht für anspruchsvolle optische Geräte.
Schott wurde am 17. Dezember 1851 in Witten als Sohn eines Fensterglasmachers geboren. Nach dem Besuch der Provinzial-Gewerbeschule nahm er 1870 an der Technischen Hochschule in Aachen ein Studium der Chemie und Mineralogie auf, welches er nach einjährigem Militärdienst unter anderem in Leipzig fortsetzte. Seine Doktorarbeit über die »Theorie und Praxis der Glasfabrikation« wurde dort von dem bekannten Chemiker Hermann Kolbe abgelehnt – aus persönlichen Gründen, wie Historiker mutmaßen. Schott reichte die Arbeit deshalb an der Universität Jena ein, wo er 1875 ohne Probleme zum »Dr. phil.« promoviert wurde.
Zurückgekehrt in seine Heimat, testete er im Keller seines Elternhauses verschiedene chemische Elemente auf ihre Eignung für die Glasherstellung. Dabei stellte er 1879 erstmals Lithiumglas her. Eine Probe davon schickte er an den Jenaer Physiker Ernst Abbe, der den jungen »Glasdoktor« überredete, sich 1882 ganz in der thüringischen Universitätsstadt niederzulassen. 1884 gründeten Schott, Abbe sowie Carl und Roderich Zeiss die »Glastechnische Versuchsanstalt«, aus der später das »Jenaer Glaswerk Schott & Genossen« hervorging, zu dessen Gründung die königlich-preußische Staatsregierung 60 000 Mark beisteuerte.
Anfangs waren die elf Mitarbeiter des Werkes vorrangig mit der Schmelze von optischen Gläsern beschäftigt. Das änderte sich, als Schott 1887 das hitzebeständige und chemisch resistente Borosilikatglas entwickelte, in welchem rund 80 Prozent Siliziumdioxid und 12,5 Prozent Bortrioxid enthalten sind. Es wurde ab 1894 zur Herstellung von Laborgläsern sowie Lampenzylindern für die Gasbeleuchtung verwendet. Außerdem gelang es Schott, schlierenfreie Gläser mit fein abgestuften optischen Konstanten zu fertigen, die beim Bau leistungsstarker Mikroskope und Teleskope zum Einsatz kamen. Nach dem Ersten Weltkrieg stellte die Firma auch Haushaltsgläser aus Borosilikatglas her, die unter dem Markennamen »Jenaer Glas« weltweit vertrieben wurden.
Als schwerreicher Mann, der er nun war, förderte Schott die Künste und Wissenschaften. 1902 spendete er 50 000 Mark für die Errichtung eines Chemisch-technischen Instituts an der Universität Jena. Daraus entstand zu DDR-Zeiten das Institut für Glaschemie, das seit 1968 den Namen seines Stifters trägt. Im Alter von 75 Jahren zog sich Schott aus seinem Unternehmen zurück, das zu jener Zeit 1500 Mitarbeiter zählte. Er starb am 27. August 1935 in Jena.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen US-Truppen die Leitung des Werkes sowie ausgewählte Spezialisten mit in den Westen. Der »Zug der 41 Glasmacher« endete in Mainz, wo der Sohn von Otto Schott 1952 ein neues Hauptwerk errichtete. Im Osten ging nach der Enteignung von Schott daraus ein Volkseigener Betrieb (VEB) hervor. Das dort seit 1948 produzierte Jenaer Glas war in der DDR ein wichtiger Exportartikel, um Devisen zu erwirtschaften.
Nach der Wende wurde das alte Stammhaus in Jena rekonstruiert und in die Schott AG eingegliedert, die heute einer der weltgrößten Anbieter von Spezialgläsern ist. Unter anderem fertigt sie Glaskeramik für große Spiegelteleskope. 2005 stellte das Unternehmen die Produktion von Jenaer Glas an seinem Thüringer Gründungsstandort ein. Die Markenrechte an dem traditionsreichen Namen erwarb kurz darauf die Zwiesel Kristallglas AG in Niederbayern, die seitdem alleiniger Produzent von Jenaer Glas ist. Foto: ND-Archiv
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