Urlaubsunterbrechung, wenn das Kind erkrankt?

Arbeitsrecht – Leser fragen

  • Lesedauer: 3 Min.

Während des Urlaubs mit der Familie erkrankte mein Kind. Ich schickte den Krankenschein dem Arbeitgeber, weil doch der Urlaub durch die Krankheit unterbrochen wird und diese Tage nicht als Urlaubstage zählen. Außerdem erhalte ich bei Erkrankung des Kindes Arbeitsbefreiung, hätte ich im Betrieb gearbeitet. Der Arbeitgeber meint, diese Ansprüche gäbe es während des Urlaubs nicht. Stimmt das?

In der Anfrage sind zwei verschiedene Sachverhalte enthalten, die auch jeweils andere rechtliche Schlüsse zur Folge haben. Zunächst: Nach § 3 Abs.1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) tritt der Krankheitsfall ein, wenn der Arbeitnehmer infolge Krankheit arbeitsunfähig wird. Hier aber ist das Kind erkrankt.

Und weiter: Im § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) heißt es, dass der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung für seine Krankheit haben muss, dann werden die Krankheitstage nicht auf den Jahresurlaub angerechnet.

Sodann: Nach § 45 SGB V erhalten Beschäftigte unbezahlte Freistellung von der Arbeit, wenn die Bedingungen des § 45 Abs. 1 SGB V gegeben sind. Danach erhält der/die Beschäftigte Krankengeld, wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass er/sie zur Beaufsichtigung, Betreuung und Pflege des erkrankten Kindes der Arbeit fernbleiben muss und eine andere, im Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen kann.

Das Kind darf zudem das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Um der Betreuungspflicht nachzukommen, ist die unbezahlte Arbeitsfreistellung nötig. Wenn das Kind während des Urlaubs erkrankt, sind die gesetzlichen Voraussetzungen weder des EFZG noch die des § 45 SGB V gegeben. Die Betreuung des erkrankten Kindes kann die Mutter oder der Vater übernehmen, ohne dass der Urlaub unterbrochen wird.

Dieses Ergebnis hört sich recht unsozial an, aber die genannten Regelungen lassen eine andere Auslegung nicht zu. Die Arbeitnehmer befinden sich im Urlaub bereits in einer bezahlten Freistellung.

Den Arbeitnehmern steht es frei, zur endgültigen Klärung der Rechtslage Klage beim Arbeitsgericht über die Arbeitsfreistellung und ggf. über die Nichtanrechnung der Krankheitstage des Kindes auf den Urlaub einzureichen.

Arbeit in der Gaststätte – muss das Trinkgeld abgeliefert werden?

Ich arbeite in einer Gaststätte als Servierkraft. Der Chef verlangt ab sofort von mir und den anderen Servierkräften, dass wir unser Trinkgeld bei ihm abzuliefern haben. Er begründet dies damit, dass er uns schon ausreichend bezahlt. Ist seine Forderung berechtigt?

Auf keinen Fall! Es heißt im § 107 Abs.3 Gewerbeordnung (GewO): »Trinkgeld ist ein Geldbetrag, den ein Dritter ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer vom Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt.«

Das Gesetz ist eindeutig. Das Trinkgeld ist ein Geschenk des Gastes und gehört in voller Höhe dem Arbeitnehmer. Dass es beim Beschäftigten verbleibt, ist nicht von der Höhe seines Arbeitsentgeltes abhängig.

In der einschlägigen Betriebspraxis offenbaren sich immer wieder seltsame Praktiken der Besitzer von Gaststätten, Imbissstätten, Hotels u. a. So verlangen sie zuweilen, dass bei auftretenden Schäden am Firmeneigentum oder bei Minusbeträgen im Zusammenhang mit Abrechnungen das Trinkgeld abzugeben ist. Das ist ebenso rechtswidrig wie die Forderung, bei »ordentlicher« Bezahlung der Arbeitsleistung die Trinkgelder beim Arbeitgeber abzuliefern.

Die betroffenen Beschäftigten können sich weigern, der Forderung des Chefs nachzukommen. Er hätte in diesem Fall weder ein Abmahnungs- und schon gar kein Kündigungsrecht. Der Arbeitnehmer bräuchte nicht einmal dem Chef die Höhe des Trinkgeldes zu nennen, selbst wenn er direkt danach fragt.

Prof. Dr. JOACHIM MICHAS

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal